Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
überrascht und irritiert zugleich. Es schien, als hätte er nicht damit gerechnet, dass jemand auf eine derart zynische und selbstbewusste Art und Weise für ihn Partei ergreifen würde.
Alles in Arrow schrie danach, zu ihm zu laufen und dem ganzen Geschehen ein Ende zu bereiten, doch die zarten Worte des Windes hallten wie ein Echo in ihrem Kopf wider. „Warte ab und beobachte.“ Also blieb sie still auf ihrem Platz sitzen und verfolgte mit fester Miene, was weiter geschah.
„Er hat meine Familie auf dem Gewissen!“, zischte der Kobold mürrisch, während er Arrow zornig anfunkelte.
Erwartungsvoll wurde sie von den Zuschauern des Colosseums gemustert. Offenbar hofften sie auf irgendeine Reaktion ihrerseits. Doch anstelle eines ausschweifenden Wutausbruchs entgegnete Arrow lediglich mit einem völlig gelangweiltem: „Aha ...“
Der Kobold verschwand aus der Arena, und als der Mann mit der Schriftrolle den Namen Nelabat Silencia aufrief, erschien eine wunderschöne, junge Elfe mit wallendem, blondem Haar, in dem kleine Libellen saßen, deren schimmernde Flügel wie magische Schmuckstücke anmuteten. Ihre Haltung wirkte wie die einer Königin und ihr Gewand ließ ebenso auf eine höchst edle Herkunft schließen. Anders als bei ihren Vorgängern hallte in Nelabats Stimme jedoch keine Verachtung wider, sondern Enttäuschung und Verzweiflung.
„Vor vielen Jahrhunderten habe ich Melchior einst meinen größten Schatz anvertraut und ihm das Versprechen abgerungen, dass er meinen Jungen immer so behandeln würde, als wäre er sein eigenes Kind. Doch anstatt auf ihn zu achten, hat er ihn mit in die Menschenwelt genommen, wo er fernab seinesgleichen und seiner Heimat aufwachsen musste. In Elm Tree wurde er verachtet und gefürchtet. Eine solche Kindheit hätte ich für ihn niemals im Sinn gehabt.“
Sie schluckte und senkte den Blick. „Der Junge hat in Elm Tree immer nur das Beste bekommen. Er ist zu einem verantwortungsbewussten und mutigen, jungen Mann herangewachsen. Seine Kindheit war weitaus erfüllter, als sie es in der anderen Welt je hätte sein können. Als Sohn eines Nyriden haben dort nur seine Feinde und der Tod auf ihn gelauert.“
Eingeschüchtert von Nelabats liebenswerter Art, traute Arrow sich dieses Mal nicht, der Elfe einfach so ins Wort zu fallen. Natürlich wunderten sie auch hier wieder die Widersprüche, mit denen die junge Frau dort unten sprach, doch etwas Anderes brannte Arrow sehr viel mehr unter den Nägeln. Zögerlich hob sie ihre Hand und wartete geduldig, bis sie von Nelabat angesprochen wurde.
„Ja?“, sagte die Elfe überrascht.
„Bitte verzeiht mir meine Ungeduld, werte Lady“, stammelte Arrow mit einem gewissen Anflug von Hilflosigkeit. „Ich möchte Eure Worte ungern anfechten, doch ich kenne Euren Sohn und bin mit ihm sehr eng verbunden. Bisher war ich immer der Meinung, dass Dewayne höchstens vierundzwanzig Jahre alt wäre. Ihr sagtet jedoch, dass Ihr ihn vor vielen Hundert Jahren in die Obhut meines Va ... äh, ich meine des Angeklagten gegeben habt. Wie ist das möglich?“
Irritiert schaute Nelabat in die Runde. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass diese Frage gestellt werden würde. Und so, wie Arrow wieder einmal von allen Seiten angeschaut wurde, hatte offenbar auch niemand sonst damit gerechnet, dass überhaupt irgendwelche Fragen zu beantworten waren.
Erstaunten Blickes ließ der Gerichtsdiener seine Schriftrolle sinken und richtete das Wort an Arrow. „Das amtierende Oberhaupt des Elfenvolkes, in diesem Fall die Elfenkönigin Nelabat Silencia, genießt das Privileg, unter ganz besonderen und absolut notwendigen Umständen die Zauberkräfte ihres Volkes zu bündeln und damit einen von ihr erwirkten Zauber auszusprechen, der jede andere Magie in den Schatten stellt. So hat Nelabat Silencia einst dieses Vorrecht genutzt, um ihren Sohn viele hundert Jahre durch die Zeit zu schicken und ihm damit ein qualvolles Leben in Angst zu ersparen. Der Preis für diese besondere Fähigkeit hat jedoch den umgehenden Tod des Elfenoberhauptes zur Folge, sobald der Zauber ausgesprochen ist.“
Arrow verschlug es die Sprache. Melchior hatte nie viel von Dewaynes Eltern erzählt. In ganz wenigen Momenten hatte er gelegentlich erwähnt, dass sie ihren Sohn über alles geliebt hatten und stolz auf ihn wären, wenn sie ihn sehen könnten. Doch sobald Melchior diese Worte ausgesprochen hatte, war er stets ein bisschen melancholisch geworden und hatte sich für Stunden,
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