Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
zugegen. Und bei meiner Rückkehr kam das Baby auch schon.“
„Anne“, sagte Neve mit stolzen Augen, „würdest du uns die Ehre erweisen ...“
Sanft deutete die Elfe an, dass die alte Frau ihr Baby halten sollte. Für jedes Neugeborene dieser Welt war es eine ganz besondere Ehre, nach der Geburt von Mutter Natur in die Armen genommen zu werden. Und obwohl Anne eine solche Aufgabe viele Male im Jahr zuteil wurde, strahlte sie über das ganze Gesicht, als sie die winzige Elfe liebevoll wog. Die Kleine sah mit ihren recht langen schwarzen Haaren wunderschön aus. Am faszinierendsten waren jedoch ihre Augen, in denen Eisblau und Lindgrün miteinander verschmolzen. Das Elfenbaby sah genauso aus wie ihre Mutter.
Ganz verzaubert von dem schönen Gesicht, den winzigen spitzen Öhrchen und den kleinen Fingern, gab Anne dem Baby einen sachten Kuss auf die Stirn. Und als sie es der Mutter zurückgeben wollte, lehnte diese ab.
Fragend schaute die alte Frau zwischen Dewayne und Neve hin und her.
„Wir möchten, dass du ihr einen Namen gibst“, erklärte der Elf.
Anne platzte beinahe vor Stolz, als sie seine Worte erfasst hatte. Nach langer Zeit fühlte sie sich endlich wieder wie eine richtige Großmutter.
Kinder liebte Anne über alles, und auch wenn Arrow oft mehr Aufmerksamkeit als Dewayne von ihr bekommen hatte, so war er ihr nicht weniger wichtig. Denn auch ihn hatte sie einst in ihren Armen gehalten, aufwachsen sehen und seine ganze Entwicklung miterleben dürfen. Und obwohl es seinerzeit sehr schwer für sie gewesen war, hatte sie schnell lernen müssen, ihn loszulassen. Es war damals einfach das Beste für ihn gewesen. Unter den Menschen war er nie sicher gewesen, denn sowohl sein Wesen als auch sein Aussehen hatten ziemlich schnell Aufschluss über seine Andersartigkeit gegeben. Die Leute hatten immer über ihn getuschelt, und als es in seinem letzten Jahr in Elm Tree immer schlimmer geworden war, hatte seine Familie sich gezwungen gesehen, Dewayne in seine Welt zurückzuschicken. Auch für Melchior war das eine schwierige Zeit gewesen. Einerseits hatte er sich darauf gefreut, seinen Sohn endlich nach Hause bringen zu dürfen, doch andererseits hatte das gleichzeitig den Abschied von seiner Tochter zur Folge gehabt. Als Dewayne gehen musste, war Arrow noch zu klein, um die für sie relativ sichere Welt der Menschen verlassen zu können. Hätte Melchior Anne mit dem Elfen geschickt, wäre es für Arrow zu gefährlich gewesen. Er selbst hatte nicht über Zauberkräfte verfügt und die Tatsache, dass er wieder in der anderen Welt gewesen war, hatte Arrows Feinde auf eine falsche Fährte locken können. Schon immer waren diese der Annahme gewesen, dass Melchior seine Tochter ausschließlich unter seiner eigenen Obhut aufziehen würde. Als der Irrtum irgendwann aufgeflogen war, war es für Arrows Verfolger zu spät gewesen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits in ihre Welt zurückgekehrt war.
Wenngleich Anne es stets genossen hatte, die kleine Arrow ganz für sich allein zu haben, war nie ein Tag vergangen, an dem sie Dewayne nicht vermisst hatte. Als er sie verlassen musste, hatte Anne es kaum glauben können. Gerade hatte er noch vor ihr auf dem Wickeltisch gelegen und im nächsten Moment war er einen halben Kopf größer als sie, verdrehte allen jungen Damen der Gegend den Kopf und verabschiedete sich für eine viel zu lange Zeit von ihr. Und scheinbar nur einen Augenblick später hielt Anne plötzlich Dewaynes Baby im Arm.
Wenn Anne es sich genau überlegte, war dieses Gefühl anders als das einer Großmutter. Mit der kleinen Elfe wurde sie praktisch zur Urgroßmutter und dieser Gedanke überwältigte sie regelrecht. Es war, als würde ein ganz neues, strahlend glänzendes Abzeichen auf ihren Kleidern prangen.
„Ich würde ihr den Namen Juna geben“, flüsterte Anne liebevoll, ohne den Blick von dem schlafenden Baby zu nehmen.
„Dann soll es so sein“, entgegnete Dewayne stolz und nahm ihr die kleine Elfe wieder ab. Als er auf das Baby blickte, leuchteten seine Augen überglücklich. „Herzlich Willkommen in dieser Welt, meine ersehnte Tochter.“
In den kommenden Tagen drehte sich alles um die kleine Juna. Jeder wollte sie einmal halten, und egal ob sie schlief oder wach war – sie sah sie immer absolut niedlich aus.
Sobald Arrow das Baby in den Armen hielt, war sie wie ausgewechselt. Die trüben Gedanken verflogen, sie schmunzelte unaufhörlich und bekam nichts von der Welt um sich herum
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