Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
nicht.“
Ratlos nickte er ihr zu. Es bedrückte ihn, nichts tun zu können, und dieses Gefühl mochte er gar nicht. Ein Elf hatte so viel Macht und konnte Dinge erschaffen, von denen die meisten anderen Geschöpfe nicht einmal zu träumen wagten. Dieser Gabe allein hatten es die Elfen zu verdanken, dass nur ihresgleichen so etwas Wundervolles wie das Elfenreich erschaffen konnten. Ganz zu schweigen von Nebulae Hall – einem Ort, den es nie gegeben hätte, wenn Elfen nicht den Grundstein dafür gelegt hätten. So viele Wesen hatten sie damit glücklich machen können. Tausende hatten dort nach so vielen trostlosen Jahren ein neues Heim gefunden. Doch nun saß Dewayne neben einem einzigen Geschöpf – seiner Schwester. Und er liebte sie von ganzem Herzen. Nicht weil er aufgrund der familiären Bindung dazu gezwungen war, sondern einfach weil Arrow es wert war, geliebt zu werden. Trotzdem war er, was sie momentan anging, machtlos.
„Wie geht es dir?“, fragte der Elf, entschlossen seine Schwester mit einem Gespräch trösten zu können. Doch Arrows Antwort erschütterte ihn nur noch mehr.
„Stelle mir bitte keine Fragen über mein Befinden“, flehte sie regelrecht, und in ihren leblosen Augen stiegen Tränen auf. „Du kennst die Antwort, Dewayne. Und ganz davon abgesehen kann ich keinen einzigen Augenblick an etwas Anderes denken. Ich verstehe nicht, wie das alles hier nur passieren konnte. Aber am schlimmsten ist der Gedanke daran, dass ich nicht da war. Es ist alles meine Schuld!“
Arrow schluchzte und weinte bitterlich. Ohne nachzudenken, schloss Dewayne sie in seine Arme und streichelte sanft ihren Kopf. Die Tränen liefen wie ein Wasserfall über die ohnehin schon vom Salz gereizten Wangen. Es war ihr kaum möglich, sich zu beruhigen.
„Wie kannst du nur denken, dass es deine Schuld ist?“, fragte Dewaye ergriffen. „Niemand hat Schuld an diesem Vorfall und keiner von uns hat es kommen sehen.“
„Trotzdem war es meine Schuld“, schluchzte Arrow erneut. „Ich war nicht da. Immer verlasse ich diejenigen, die ich am meisten liebe, und bringe alle in Gefahr. Es ist ein verdammter Fluch!“
Erschüttert schob Dewayne seine Schwester ein Stück von sich weg, um ihr in die Augen sehen zu können. „Arrow, du bist nicht schuld“, sagte er mit fester Stimme. „Beides waren Unfälle, mit denen keiner gerechnet hat. Niemand hat damals geahnt, dass du deine Freunde in Elm Tree vermissen und versuchen würdest, sie zu besuchen. Die ganze Zeit haben wir unzählige Späher damit beschäftigt, ein Auge auf dich zu haben, und in einem einzigen Moment waren wir unaufmerksam. Nicht einer von uns hatte seinerzeit bedacht, dass es vernünftiger gewesen wäre, dich aufzuklären. Alle haben es für besser gehalten, dir vorerst ein schönes neues Heim zu bieten. Wir haben es für unklug befunden, dich in ein neues Leben zu zwängen und dir dann auch gleich noch die Last der Prophezeiung aufzuerlegen. Das wäre unserer Meinung nach einfach zu viel gewesen.“
„Und warum habt ihr es mir nicht einfach von klein auf gesagt?“, entgegnete sie anklagend. „Alles wäre einfacher gewesen, wenn ich mit diesem Wissen aufgewachsen wäre!“
Dewayne musterte sie skeptisch. „Ach ja? Glaubst du das wirklich?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. „Hätten wir diesen Weg beschritten, so wärst du in Angst aufgewachsen. Du hättest niemals Freunde gehabt und jedes kleine Anzeichen deiner Andersartigkeit hätte dich verraten können.“
„Bist du etwa der Meinung, dass ich ein normales Kind war, weil ich von all dem nichts gewusst habe? Denkst du denn, ich hätte die Blicke der Dorfbewohner nicht in meinem Rücken gespürt und von den Bedenken der Eltern meiner Freunde nichts geahnt? Das alles ist mir nie entgangen!“
„Ich weiß. Doch damals hat es dich nicht interessiert, denn du hast dich sicher gefühlt. Glaub mir, Arrow, wir haben mehr als einmal darüber nachgedacht, dir die Wahrheit zu sagen. Aber wenn wir es getan hätten, hättest du deine unschuldige Neugier verloren und wärst nie zu der Person geworden, die du heute bist.“
Arrow weinte nach wie vor, doch aus dem Wasserfall war inzwischen ein kleiner Gebirgsbach geworden. Auch schluchzte sie nicht mehr und höre ihrem Bruder aufmerksam zu. Noch immer fühlte sie sich schuldig, jedoch auf eine andere Art. Die Worte des Elfen hatten ihr verdeutlicht, dass sie nicht allein litt und sich nicht als Einzige Vorwürfe machte.
Niedergeschlagen senkte
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