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Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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Berman mußte auf den Rücken geklopft werden, weil sie sagte: «W-Wer kann mir sagen, w-wo die T-To ist?», worauf er den Reigen abschloß und ihr den Arm bot, um sie selbst zu führen.
    «Das», sagte Holly, «wird nicht nötig sein. Sie ist schon mal hiergewesen. Sie weiß, wo es ist.» Sie war beim Ausleeren der Aschbecher, und nachdem Mag Wildwood das Zimmer verlassen hatte, kippte sie erst noch einen weiteren aus und sagte dann, eher seufzend: «Es ist doch wirklich sehr traurig.» Sie stockte lange genug, um die Anzahl der fragenden Mienen zu kalkulieren es genügte. «Und so unbegreiflich. Man sollte meinen, es würde deutlicher zu merken sein. Aber der Himmel weiß, sie sieht ja gesund aus. So - nun ja: sauber. Das ist das Außergewöhnliche daran. Würdet ihr», erkundigte sie sich besorgt, doch nicht an einen einzelnen gewendet, «würdet ihr nicht auch sagen, daß sie sauber aussieht?»
    Einer hustete, einige schluckten. Ein Marineoffizier, der Mag Wildwoods Drink gehalten hatte, setzte ihn nieder.
    «Aber nun ja», sagte Holly, «ich höre von so vielen Mädchen aus dem Süden, die den gleichen Kummer haben.» Sie schauerte empfindsam und ging nach der Küche um mehr Eis.
    Mag Wildwood konnte es nicht begreifen, das urplötzliche Fehlen der Wärme bei ihrer Rückkehr; die von ihr eingeleiteten Unterhaltungen benahmen sich wie frisches Holz, sie rauchten, wollten aber nicht aufflammen. Unverzeihlicher noch, die Leute gingen, ohne nach ihrer Telephonnummer zu fragen. Der Luftwaffenoberst räumte das Feld, während sie ihm den Rücken drehte, und das gab ihr den Rest - er hatte sie zum Essen eingeladen. Auf einmal war sie betrunken. Und da Gin sich zu Künstlichkeit ebenso verhält wie Tränen zu Wimperntusche, merkte man mit eins auch nichts mehr von ihren Vorzügen. Sie rächte sich an jedem einzelnen. Ihre Gastgeberin nannte sie eine Heruntergekommene aus Hollywood.
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    Sie forderte einen Mann in den Fünfzigern zu einem Boxkampf auf. Sie erklärte Berman, Hitler habe ganz recht. Sie erfüllte Rusty Trawler mit Lust, indem sie ihn mit steifgestrecktem Arm in eine Ecke manövrierte. «Wissen Sie, was jetzt mit Ihnen passiert?» sagte sie ohne jeden Anflug von Stottern. «Ich werde Sie zum Zoo 'rüber in Marsch setzen und an den Yak verfüttern.» Er machte einen durchaus willigen Eindruck, doch enttäuschte sie ihn, indem sie zu Boden glitt und dort, vor sich hinsummend, sitzenblieb.
    «Du bist eine Plage. Steh auf», sagte Holly, indem sie ihre Handschuhe glattzog. Die Übriggebliebenen der Party erwarteten sie an der Tür, und als die Plage sich nicht rührte, warf mir Holly einen entschuldigenden Blick zu. «Wollen Sie ein Engel sein, Fred, ja? Packen Sie sie in eine Taxe. Sie wohnt im Winslow.»
    «Stimmt nicht. Wohne Barbizon. Telephon Regent 4-5700. Verlangen Sie Mag Wildwood.»
    «Sie sind ein Engel, Fred.»
    Sie waren fort. Die Aussicht, eine Amazone zu einer Taxe steuern zu müssen, übertönte jeden Verdruß, den ich etwa fühlen mochte. Allein sie löste das Problem höchstpersönlich. Indem sie sich aus eigenem Antrieb erhob, starrte sie mit taumeliger Großartigkeit auf mich nieder. Sie sagte. «Gehn wir ins Stork. Luftballons fangen», und fiel der Länge nach hin wie eine gefällte Eiche. Mein erster Gedanke war, nach einem Arzt zu laufen. Doch ergab eine Untersuchung tadellosen Puls und regelmäßiges Atmen. Sie schlief ganz einfach. Nachdem ich ein Kissen für ihren Kopf gefunden hatte, überließ ich sie diesem Genuß.
    Am folgenden Nachmittag stieß ich mit Holly auf der Treppe zusammen. «Sie!» sagte sie, mit einem Päckchen von der Apotheke an mir vorüberhastend. «Nun hat sie's: am Rande einer Lungenentzündung. Einen Kater von hier bis sonstwohin. Und das rote Grausen obendrein.» Ich entnahm daraus, daß Mag Wildwood noch in ihrer Wohnung war, doch gab sie mir keine Chance, ihr überraschendes Mitleid näher zu erkunden. Über das Wochenende vertiefte sich das Rätsel. Zunächst war da der Südamerikaner, der an meiner Tür stand - versehentlich, denn er erkundigte sich nach Miss Wildwood.
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    Es brauchte einige Zeit, diesen Irrtum aufzuklären, unsere Aussprache schien wechselseitig unklar, doch als wir es dann geschafft hatten, war ich entzückt. Er war mit Sorgfalt zusammengefügt, sein brauner Kopf und die Stierkämpfergestalt waren von einer Genauigkeit, einer Vollkommenheit wie ein Apfel, eine Orange, etwas, das die Natur genau passend geschaffen. Zur Dekoration war dann

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