Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten
zogen, nicht anzustarren. Er hatte mich in die Schwitzhütte eingeladen. Ich hatte noch Zeit totzuschlagen, während ich darauf wartete, dass Chuck, Chef der Chenega Corporation, der irgendwo seinen Frühstücks-Joint rauchte, in dem heruntergekommenen Wohnwagen auftauchte, der das Hauptquartier des Unternehmens war.
In den Eskimodörfern sind nicht alle begeistert, wenn einer von außen mit Notizblock und Fragen auftaucht — wie würden wir es finden, wenn jemand, das Klemmbrett unter dem Arm, ankommt und den Wert unseres Lebens bemessen will? Deshalb ließ ich es, nachdem mich das Wasserflugzeug abgesetzt hatte, langsam angehen.
Larry hatte sein Leben der Grausamkeit des Bureau of Indian Affairs zu verdanken, des Amtes für indianische Angelegenheiten. Das nämlich nahm ihn seinen Eltern weg und steckte ihn in eine indianische Schule in den Lower 48, den Staaten südlich von Kanada. Da lernte er nicht viel, aber das war ja auch nicht Sinn der Übung. Die Schulen waren dazu da, ihren Schülern den Ureinwohner auszutreiben. Jedes Wort in der Muttersprache wurde mit Prügeln bestraft. In Texas oder Seattle oder wo man die Eskimos sonst noch hinschickte, gab es keine Robbenjagd. Heimat und Familie bekamen die Schüler jahrelang nicht zu Gesicht, denn Ziel war es ja, dass sich die Indianer im großen amerikanischen Schmelztiegel auflösten.
Die Schlacht um Amerika, die das Bureau of Indian Affairs führte, bewahrte Larry vor dem Tsunami des Jahres 1964. Oder zumindest bewahrte sie ihn davor, zusehen zu müssen, wie die Welle seine Eltern, seine Großeltern und seine kleine Schwester mit sich riss. Die Evanoffs waren tot — alle, bis auf Larry.
Einige Zeit nach Vater Nicholas’ Selbstmordversuch erklärte ihm Larry, dass er nach Chenega zurückkehren wollte, auch wenn es kein Chenega mehr gab.
Larry hatte es mit Amerika versucht. Nach dem Militärdienst nahm er einen Stadtjob als Fluglotse an. Dann feuerte Papa Reagan sämtliche Fluglotsen, die wegen der irrsinnigen Arbeitsbedingungen gestreikt hatten. Auch Reagan war beim Militär gewesen und hatte wie Larry Kampfeinsätze geflogen. Doch Reagan hatte vergessen, dass seine Flüge nur im Spielfilm stattgefunden hatten. Trotzdem liebten ihn die Amerikaner, denn ein falscher Krieger mit einem glückseligen Grinsen schlägt einen vernarbten Indianer, der, wenn die Kamera läuft, die Mundwinkel nicht verzieht, um Längen.
Für Larry war der Amerikanische Traum damit erledigt. In einem Kahn, den er mit einem Generator und ein paar Elektrowerkzeugen beladen hatte, fuhr er zu seiner Insel. In der Einöde am Ende der Welt errichtete er ein Haus und holte dann seine Frau und die beiden Kinder nach, die acht und zehn Jahre alt waren. Der subarktische Winter brach herein. Man kam nicht hinaus, man kam nicht hinein, es gab kein Kurzwellenradio und nichts als das Fleisch, das Larry zum Räuchern aufgehängt hatte, Hirsche, die er von der Haustür aus schoss, und Robben, die er in der Robbenkolonie auf Montague Island auf der anderen Seite des Sunds fing. Und die Lachse, die ihm direkt auf die Türschwelle sprangen.
Ich konnte mir das alles nicht vorstellen. Meine eigene Insel. Ein Leben ohne polizeibewachte 24-Stunden-Supermärkte, ohne Freunde, mit denen wir uns jederzeit verabreden konnten, ohne Disney World, Parkscheine, Termine mit Verlegern. Hätte ich das jemals aufgeben können?
Nach einigen Wintern schloss sich die Chenega-Diaspora Larry an. Das war 1984. Sie errichteten etwa zwei Dutzend Bungalows und eine
Kirche mit einem Kirchturm für Nicholas, den sie noch immer Vater nannten.
Aber was ist mit den Narben, Larry? Ist das bei den Eskimos eine Art Opferritual? »Klar«, sagte Larry. »Das heilige Vietnam-Ritual.« Er hatte sich die Verletzungen im Hubschrauber zugezogen, als eine Schusssalve ihm die Haut versengte.
Larry hatte mit dem Amerika gewerkschaftsfeindlicher Präsidenten, die die Machtlosen in Hubschrauber pferchten und beschießen ließen, abgeschlossen und war in das Leben des Pleistozän zurückgekehrt, weitab vom Wahnsinn der US-Außenwelt. Dann, im Jahr 1989, schickte ihm Exxon Amerika mit aller Wucht direkt ins Haus: Kamerateams und Öl-Manager rückten an, und Vizepräsident Dan Quayle stand auf einer Holzbohle, damit die Lederquasten seiner Halbschuhe keine Flecken bekamen. Ganz zu schweigen von diesem übereifrigen Detektiv aus New York.
Die Spitze des Ölteppichs bewegte sich nach Süden und musste ja irgendwo hin. Da BP keine Ölsperren
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