Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten
Alaska«. James McAlpine von der BBC schoss das Foto, als wir nach Chenega flogen. Das war sechs Jahre nach der Ölkatastrophe. Und hier sind sie, die Ureinwohner
von Chenega, in ihren gelben Schutzanzügen. Wie Feuerwehrleute aus dem Weltall schwingen sie Hochdruckschläuche und bergen das Rohöl der Exxon Valdez . Noch sechs Jahre nach der Ölpest sieht man, dass das schwarze Zeug an ihnen klebt, als hätten sie eine Handgranate in ein Klohäuschen geworfen.
Und hier bin ich, auf Knight Island im Jahr 2010, zwei Jahrzehnte nach dem Tankerunglück. Ich brauche nur die Hand in den Kies zu stecken, und schon stinkt es wie eine Tankstelle in der Bronx.
Im Juni 2010 erklärte das US-Innenministerium, das Öl der Deepwater Horizon werde bis zum Herbst beseitigt sein. Im Herbst revidierte man den Zeitraum auf »zwei Jahre«. Gemeint ist, dass wir zwei Jahre brauchen, bis wir es vergessen haben.
Erinnern Sie sich noch an den Tsunami 2007, bei dem eine Viertelmillion Menschen umkamen? Ich nicht. Das heißt, ich musste das Datum
googeln. Das Massaker von mehr als einer dreiviertel Million Menschen in Ruanda im Jahr … Wann war das? 1996? 1998?
Wie formulierte es der Dichter Wordsworth? »Geburt ist nur ein Schlaf und ein Vergessen.« 18 Genau. In wenigen Jahren werden Sie die Sache im Golf von Mexiko auch vergessen haben, und BP wird in Werbeanzeigen behaupten, dass sich die Natur um alles gekümmert hat. Und in zwei oder in fünf Jahren werden Sie dieses Buch in die Papiertonne werfen oder von der Festplatte Ihres iPad löschen.
Wir wiederholen die Geschichte. Als im Jahr 1925 die Dämme von New Orleans brachen, war die Nation angewidert und wütend. Dann gingen wir schlafen und vergaßen alles. Die Vereinigten Staaten von Amnesia.
Wenn ich mir meinen Aktenschrank ansehe mit dem ganzen Krempel und dem vergilbten Papier darin, zum Beispiel der Exxon-Broschüre von der Tankstelle, frage ich mich, warum ich den ganzen Mist eigentlich aufhebe. Darauf habe ich keine Antwort.
Anchorage
Im Jahr 1997 traf ich Chuck Totemoff im Unternehmensbüro von Chenega wieder. Es war nicht mehr der klapprige Wohnwagen am Dock der Insel, sondern ein moderner Bürobau, in dem das gesamte Dorf auf nur zwei Stockwerken untergekommen wäre.
Und Chuck war nicht mehr Chuck. Ich sprach mit Charles Totemoff, President und CEO. Weißes Hemd, dezente Krawatte, maßgeschneiderter Anzug, MBA in Betriebswirtschaft, auf dem PC-Bildschirm die Berichte seiner multikontinentalen Tochterfirmen. Ich traf ihn auf dem Parkplatz, wo er aus seinem silberfarbenen BMW stieg. Er war stocknüchtern, was ich von mir nicht sagen konnte.
Exxon und BP behumsten nach der Ölkatastrophe die Leute von
Chenega zwar um ihre Ansprüche, doch, so erklärte mir Charles, mit den Mitteln aus dem Landverkauf gründeten die Eskimos ein Unternehmen, das schneller expandierte als Microsoft. Wenn der Öl-Club den Kongress beeinflusste, konnte er das auch. Nach Bundesrecht hatten Unternehmen, die in Eskimobesitz waren, bei der Vergabe von Staatsaufträgen Vorrang. Charles begriff schnell, dass »in Eskimobesitz« nicht hieß, dass auch die Angestellten Eskimos sein mussten. Warum nicht zur Abwechslung einmal Weiße einstellen? Die Eskimo-Geschäfte ohne Eskimos machten den Casinos und dem Zigarettenhandel bald den Garaus. Charles stieg zum Gebieter eines wahren Imperiums auf, dessen Schilder mit der Aufschrift CHENEGA CORP vom Irak bis nach Florida zu finden sind und dessen Tausende von Angestellten das Dorf Chenega wahrscheinlich nicht einmal auf der Karte finden würden.
Die Homepage des Unternehmens zieren Bilder des Prinz-William-Sund und eines Flugzeugträgers für Kampfhubschrauber, die für »base support« und militärische Geheimdienstoperationen werben. Wally Hickel wäre stolz gewesen.
Ist Chuck/Charles ein Verräter oder ein Prophet? Muss er als Ureinwohner in seinem Dorf bleiben und Scheidenmuscheln sammeln? Da ich etwas rumänisches Blut in mir trage, beleidigte ich da mein Erbe, weil ich nicht in einem Zigeunerwagen wohne und Tamburin spiele? Müssen Ureinwohner Federn auf dem Kopf tragen und in die Vitrine eines Museums passen?
Growler Island, 1993
Exxon-Chef Lee Raymond konnte sich als glücklicher Mensch zur Ruhe setzen. Und das tat er später auch, mit einem Ruhestands-Bonus von 400 Millionen Dollar. Ist das nicht Grund genug, glücklich zu sein?
Ich gab auf.
Nicht nur den Fall. Das ganze Drum und Dran. Ich schloss die Tür hinter mir und hängte
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