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Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten

Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten

Titel: Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Palast
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flinksten Studenten aus Chicago, nicht selten bewaffnet mit gigantischen Computer-Algorithmen, die Einstein zum Schwitzen gebracht hätten, lobten Friedman und den freien Markt über den grünen Klee – und machten Milliarden, indem sie ihn widerlegten. Man konnte den Markt beeinflussen, befummeln, aufs Kreuz legen, beugen, und dafür sorgen, dass die Trottel stumm und blind blieben, sich die Taschen leeren ließen, ihre Jobs, Häuser und Renten an die Arbitrage-Händler, die Hedgefonds-Manager, die Enron-Zocker verloren, die sich von einem geheimen, bewiesenen Theorem leiten ließen:

    Sie brauchen nur den Geldsack fragen. Oder den Geier.

    Aber ihren Stein der Weisen, das Capital Asset Pricing Model, hatte ich in der Hand. Die reichen Studenten und Aufsteiger um mich herum wussten genau, was sie mit ihren Steinchen anfangen sollten: Goldman und Freunde zahlten Abgängern der Chicago B-School eine Viertelmillion Dollar pro Jahr als Anfangsgehalt. (Chicago war angesagt, und anders als die Harvard-Abgänger fürchteten sich die Jungs aus Chicago nicht vor Arithmetik.) Einige meiner Kommilitonen verdienten Millionen, aber die meisten verdienten viele Millionen oder einige Milliarden.
    Ich fand die Aussicht, mich als besserer Bankangestellter zu verdingen, nur um mir einen Ferrari kaufen zu können, hirnverbrannt und langweilig, eine schreckliche Verschwendung meiner kostbaren Lebenszeit. Bei dem Gedanken, einen dieser Horrorjobs anzunehmen und mein Leben lang den Casual Friday und einen Quickie mit der Praktikantin herbeizusehnen, wurde mir schlecht. Die Büros füllten sich mit Aasgeiern und Arschlöchern. Gott bewahre.
    Gott bewahrte mich nicht. Das übernahmen die United Electrical Workers für ihn, mit denen mich eine umwerfende dunkelhaarige Italienerin zusammenführte, Ann Lonigro, die einzige meiner Freundinnen, die tatsächlich an Gott glaubte, einen echten Herrn da oben in den Wolken.
    Dass sie gläubig war, merkte ich, als sie mich ihrem jüngeren Bruder und ihren Eltern vorstellen wollte. Klar, fliegen wir nach Italien. »Nein, sie sind im Himmel. Du wirst sie bestimmt mögen.«
    Sie war auch eine überzeugte Maoistin, soeben aus Peru zurückgekehrt, wo sie sich mit Guerilla-Mördern eingelassen hatte.
    Das musste alles nicht logisch sein, doch Lonigro (»die Schwarze«) hatte Verbindungen zur Gewerkschaftsführung in Chicago, insbesondere zu Frank Rosen, dem brillanten Chef der United Electrical Workers. Rosen hatte nach seinem Universitätsabschluss in Physik an der Universität von Chicago einen Job als Fließbandmechaniker in der Produktion bei General Electric angenommen und sich durch die Gewerkschaftsränge nach oben gearbeitet. (Eine so aristotelische Laufbahn
verfolgte auch sein Sohn Carl, der nach seinem Harvard-Abschluss als U-Bahn-Elektriker arbeitete.)
    Da waren wir also, die Schwarze und ich, zwei Maoisten (die keine Ahnung hatten, was »Maoismus« eigentlich ist), und brüteten Tag und Nacht über den Modellen und Zahlen aus Chicago.
    Wir hatten folgende Idee: Wie wäre es, wenn ein paar dürre, langhaarige Kids mit dem Capital Asset Pricing Model ausnahmsweise nicht abzockten, sondern den Abzockern das Leben schwer machten?
    An der Business School war Lonigro in ihrem Poncho aus Lamawolle so merkwürdig fehl am Platze, dass ich sie ansprach. Ich wisse zwar nicht, was sie vorhabe, wolle aber gern mitmachen. Sie ging mit mir in ihre Wohnung am Hyde Park. Unterwegs pflückte sie Unkräuter, die aus den Spalten im Gehweg wuchsen, um uns zum Mittagessen einen Salat zu machen.
    In ihrer Wohnung war eine fünf Meter lange Wand vollständig mit einer grob auf Butterbrotpapier skizzierten Weltkarte behängt. Sie war mit wilden Pfeilen versehen, mit Zahlen und spanischen, holländischen, englischen und italienischen Namen – Tochtergesellschaften, Scheinfirmen, Decknamen und Mutationen der Deltec Corporation, einer der ersten multinationalen Megakonzerne, der Finanzdienstleistungen, Rohstoffgewinnung und industrielle Fertigung unter einem Dach vereinte. Aus argentinischem Dosenfleisch wurden Schweizer Versicherungen, dann Zeugs aus Australien. Das Firmenkapital und der Cash-Flow bewegten sich vom Peso zum Gulden zum Dollar und wieder zurück, wirbelten in einem Unternehmensstrudel, der kein Zentrum hatte. Und überall, auf jedem Kontinent, wurden die Arbeiter gelinkt.
    Lonigro hatte diese Geldweltkarte für eine transnationale Gewerkschaft zusammengestellt, die ihren Sitz in Genf hatte und die

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