Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten
befanden uns in einer Art Quizshow, wie alle anderen in diesem Petro-Polizeistaat, wo demütige Mitspieler von einem fluchenden Clown befragt werden und die Antworten erraten müssen, die der Clown hören will. Es gibt keine Sieger.
Mr. Mörder grinst und kichert heiser, und alle Polizisten und Soldaten lachen nervös mit. Dann setzt sich der Mörder-Fleischberg an einen Tisch und trinkt Tee. Er lacht mit dem Oberst, und der Oberst lacht noch mehr und schwitzt.
Mein Dolmetscher flüstert: »Die Nummer 2 beim MNS.« Das heißt, er steht im Ministerium für nationale Sicherheit an zweiter Stelle, der zweitwichtigste Mann der Geheimpolizei. Sie scheinen sich gar nicht erst um Geheimhaltung zu bemühen. Ich fühle mich geehrt, bin aber auch perplex. Ausländische Fernsehteams stehen immer unter Verdacht und unter Beobachtung. Bei uns waren es Autos, die unseren Wagen verfolgten (sie hatten ein unerklärliches Muster: zwei schwarze, dann ein weißes). In der Altstadt von Baku ließ ich mich sogar mit meinem Beschatter von der Polizei fotografieren. Er lächelte in die Kamera und hielt den Daumen hoch – und sagte auf Englisch: »Für Channel 4!« Aber dass sich unseretwegen ein so hohes Tier wie die Nummer 2 von seinem vollen Terminkalender der Brutalitäten losriss … warum?
Das ist mehr als seltsam. Das Ministerium scheint mehr zu wissen, als es sollte. Ich werde dem nachgehen, sobald ich irgendwie aus diesem verdammten Schlamassel raus bin.
Mr. Mörder-Fleischberg zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben unseren Dolmetscher. Er wusste, dass unser Dolmetscher auch der Präsidentschaftskandidat der Grünen in Aserbaidschan war. Nur zu, Sie dürfen ruhig lachen. Ja, die Grünen haben keinen einzigen Sitz im Parlament, aber den hat niemand, der die Babas nicht mag, vor allem nicht, wenn er der Abgeordneten aus Azizbekov, Lady Mehriba, nicht die nötige Ehrerbietung erweist.
Indem wir Professor Grün (seinen Namen zu nennen nutzt weder Ihnen noch ihm) zu unserem Dolmetscher machten, konnten wir uns mit ihm unterhalten, ohne großes Aufsehen zu erregen.
Seit dem gestrigen Abend polierte Professor Grün sein Englisch auf, um mir vor laufender Kamera genau schildern zu können, was hier ablief: der Staatsstreich, der BP-Jahrhundertvertrag, Geld auf diesem und jenem Konto. Die detaillierte Bestätigung der Geschichten des Taschenmanns.
Professor Grün war ein Löwe, er ließ sich nicht kaufen oder herumschubsen. Er hatte Eier aus Stahl. Er wollte die Sache mit allem Drum und Dran offen legen, und das in einem Staat, wo schon indirekte
Hinweise auf Baba oder BP riskant sind, wenn sie nicht ganz so ruhmreich ausfallen. Ich hatte erst am Vortag interessante Dinge über Babas Temperament erfahren, als ich mich mit einem jungen Videoblogger zum Abendessen getroffen hatte. Seine beliebte Webseite wollte den Aserbaidschanern zeigen, wie man abhängt, plaudert und tanzt – eben wie man richtig feiert. Partyblogger sagte mir: »Wir haben hier keine Kultur, uns zu treffen und Party zu machen.« Das hatte ich auch schon gemerkt.
Zum Spaß hatte sich der Partyblogger ein Eselskostüm angezogen und darin eine Pressekonferenz gegeben. Präsident Baby Baba sah das Video auf Youtube und mutmaßte, mit dem Esel sei er gemeint. War er auch. Und ist er. Wie auch immer, der feierlustige Esel bekam zweieinhalb Jahre Gefängnis.
Da half auch nicht, dass der Partyblogger »den Vater, den Sohn und die Heilige Pipeline« gesegnet hatte.
Über die Verhaftung des Esels berichtete der BBC World Service. Die Folge: 2009 wurden die aserbaidschanischen BBC-Sendungen aus dem Frequenzbereich verbannt. Auch das amerikanische Radio Liberty erhielt keinen Sendeplatz mehr, nachdem es vom präsidialen Esel berichtet hatte.
Mörder-Fleischberg zog seinen Stuhl noch näher zu unserem Dolmetscher und flüsterte ihm etwas in ihrer einsamen Sprache zu (nur die acht Millionen Einwohner des Ölstaates sprechen Aserbaidschanisch.)
Selbst heute läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter, wenn ich mir den Film ansehe, den ich mit meiner Kugelschreiberkamera gemacht habe.
Mr. Grün hörte zu, wurde blass, murmelte, nickte, wurde plötzlich aschfahl und alterte binnen Sekunden um mehrere Jahrzehnte. Er sah aus, wie ich mir Jakob vorstelle, als er Gott und die Engel anflehte, dass Esau ihn nicht besiegen möge: »Errette mich vor der Hand meines Bruders!«
Es hat keinen Sinn, sich an mich zu wenden; ich kann nichts tun.
Mörder-Fleischberg
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