Frühstück im Bett
gar nicht«, meinte er und schob die Kiste zur Seite. »Wenn man das Dach erneuern und die Wasserschäden beheben würde, wäre schon sehr viel gewonnen. Immerhin ist die Konstruktion erstaunlich solide. Tallulah hatte Recht, man sollte dieses Bauwerk restaurieren.«
»Schau nicht mich an. Ich kann’s mir nicht einmal leisten, meinen verbeulten Kotflügel reparieren zu lassen.«
»Warum redest du nicht mit Winnie über den Bahnhof? Darüber sollte der Planungsausschuss wenigstens mal nachdenken.«
»Ich bin die letzte Person, auf die der Planungsausschuss hören würde.«
»Jedenfalls würde die Renovierung ein Vermögen kosten.«
»Klar, dieses alte Gemäuer …« Noch während sie die Worte aussprach, erschien die Vision einer Kinderbuchhandlung in ihrer Fantasie – mit einer Miniatur-Kombüse, Modelleisenbahnen, Signallampen und einer Truhe voller Theaterkostüme. Wehmütig seufzte sie auf.
»Stimmt was nicht?«
»Oh, ich wünschte, Jewel würde sich etwas mehr für Kinderbücher interessieren. Wäre das nicht ein fantastischer Kinderbuchladen? Nicht, dass sie genug Geld für den Umbau hätte – selbst wenn sie’s wollte …«
»Für eine Spezialbuchhandlung ist der Bahnhof viel zu groß.«
»Sicher nicht, wenn man eine Cafeteria einbaut.« Woher ihr die Idee gekommen war, wusste sie nicht. Aufmerksam beobachtete er ihr Gesicht, und sie ging resignierend in den Hintergrund des Gebäudes. Sogar für Tagträume waren manche Träume zu irreal.
Colin klopfte Wände ab, durchstöberte die Lagerräume und nutzte jede Gelegenheit, um Sugar Beth anzuschnauzen. Schließlich kündigte er an, jetzt würde er auf den Dachboden steigen.
»Dass es einen gibt, wusste ich gar nicht.«
»Was dachtest du denn, was über der Decke liegt?«, entgegnete er mit jener scharfen Stimme, die sie in der High School oft genug gehört hatte. »Glauben Sie vielleicht, Sie könnten diese Information mittels magischer Kräfte erhalten, Miss Carey? Schlagen Sie lieber Ihr Textbuch auf!«
Sie folgte ihm zu den Fahrkartenschaltern. Dort kletterte er auf eine alte Theke und öffnete eine morsche Falltür über seinem Kopf. Während sie beobachtete, wie er sich mühelos hochzog, erwachte wieder jenes unselige Verlangen. Zuerst verschwand seine Brust, dann der restliche Körper, in einer einzigen fließenden Bewegung. Diese Kraft wollte sie noch einmal spüren, an ihrer Haut, in ihr. Hastig wandte sie sich ab.
Fünf Minuten später kehrte er zurück, noch schmutziger und mürrischer. »Nichts. Gehen wir.«
Sie hatte gehofft, Winnie im Kutschenhaus anzutreffen. Sie könnte als Prellbock fungieren, während sie die einzelnen Räume durchsuchten. Aber nur Gordon begrüßte sie an der Haustür. Colin fuhr fort, an Sugar Beth herumzunörgeln. In Lincoln Ashs Atelier angekommen, verlor sie die Geduld. »Vergiss es! Den Rest erledige ich allein!«
»Okay. Da du bisher so phänomenale Erfolge erzielt hast …« Die Zähne zusammengebissen, schaute sie zu, wie er alle Plastikhüllen entfernte. Dann rückte er die Leiter beiseite, spähte unter den dünnen Teppich und betrachtete ein paar rissige, mit Farbklecksen bespritzte Lederstiefel, die sie bei einer früheren Expedition entdeckt hatte.
»Die wären wohl kaum hier geblieben, hätte er nicht geplant, zurückzukommen«, bemerkte sie.
»Wer weiß?«
Als er die Stiefel an ihren Platz unter der Werkbank zurückstellte, dachte Sugar Beth an Tallulah, die Bitterkeit, die Frauen erfüllte, wenn sie ihr Leben ausschließlich über die Beziehungen zu Männern definierten.
Letzten Endes gab es keine Ecken und Winkel mehr, wo Colin noch nachsehen konnte. »Tut mir Leid, Sugar Beth.«
Sie hatte auf seinen tröstlichen Sarkasmus gehofft. Nun musste sie nach Fassung ringen. »C’est la vie, nehme ich an.«
»Gib mir noch ein paar Tage Zeit«, schlug er in sanftem Ton vor. »Ich werde mir was ausdenken.«
»Mein Problem, nicht deines.«
»Trotzdem.«
Wortlos verließ sie das Atelier und ging zum Haus. Als sie eintrat, sagte sie sich, es sei von Anfang an zweifelhaft gewesen, dass sie das Bild an diesem Tag finden würden. Sie hätte nicht zu viel erwarten dürfen.
Fünf Minuten später erschien Winnie, die Arme voller Einkaufstüten, und wich einem knurrenden Gordon aus. »Ist dieser Hund gefährlich?«
Irgendwie brachte Sugar Beth die nötige Kraft auf, um zu
antworten. »Bisher sind wir beiden die Einzigen, die er nicht mag.«
»Warum behältst du so ein Biest?«
»Um Demut zu
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