Frühstück im Bett
Biest.
Ich hasse Kelli Willman.
»Gleich ist das Dinner fertig, Gigi!«
Als ihre Mutter am Fuß der Treppe stand und nach ihr rief, schloss sie nur widerstrebend das Notizheft – ihr geheimes Tagebuch, das sie seit dem letzten Jahr in der siebten Klasse führte. Sorgsam schob sie es unter ihr Kissen. Dann schwang sie ihre Beine in der ausgebeulten Kordhose über den Bettrand. Sie hasste ihr Schlafzimmer mit dem tantenhaften Laura-Ashley-Dekor, das ihre Mutter liebte. Wie gern würde Gigi ihre Wände schwarz oder violett streichen und die prähistorischen Antiquitäten mit den himmlischen Möbeln vertauschen, die sie im Pier One gesehen hatte … Da Winifred ihr das nicht erlaubte, hatte Gigi überall Rockposter aufgehängt – je hässlicher, desto besser.
Es war ihr Job, den Tisch zu decken. Aber als sie die Küche betrat, hatte ihre Mutter das schon erledigt. »Hast du dir die Hände gewaschen?«
»Nein, madre, auf dem Weg nach unten hab ich sie durch den Dreck geschleift.«
Die Lippen der Mutter verkniffen sich. »Würdest du den Salat anmachen?«
Chelseas Mom kleidete sich total abgefahren. Aber Gigis
Mom hatte immer noch die langweilige graue Hose und den Pullover an – das Outfit, das sie bei der Arbeit trug. Sie verlangte, ihre Tochter müsse sich so anziehen wie letztes Jahr in der siebten Klasse. Ständig das abscheuliche Zeug aus dem Bloomingdale-Katalog … Die Mutter verstand einfach nicht, wie man sich fühlte, wenn man hinter dem Rücken »reiches Biest« genannt wurde. Aber dieses Problem würde Gigi lösen und ab dem nächsten September nichts mehr tragen, das nicht aus dem Secondhandladen von der Heilsarmee stammte. Mit diesem Entschluss trieb sie Winifred zum Wahnsinn. Außerdem hatte Gigi aufgehört, sich in der Schule wie eine dumme Kuh zu benehmen, und neue Freundinnen gefunden, zum Beispiel Chelsea.
»Vorhin hat Mrs Kimble wegen deiner Prüfung in Geschichte angerufen. Du hast ein C.«
»Ein C ist okay. So schlau, wie du in der High School warst, bin ich nicht.«
Weil die Mutter diese Lüge durchschaute, seufzte sie. Sekundenlang sah sie furchtbar traurig aus, und Gigi wollte ihr sagen, sie würde es bedauern, dass sie so ein widerwärtiges Balg war, und in Zukunft ihre Talente verwerten. Doch das brachte sie nicht fertig, denn ihre Mom verstand überhaupt nichts.
Wie sie es hasste, dreizehn zu sein …
Winifred stellte den letzten Salatteller auf den Tisch. An diesem Abend benutzten sie das Eisensteingeschirr mit dem Teeblattmuster – wahrscheinlich, weil Dad ausnahmsweise zum Dinner nach Hause gekommen war. Den eichenen Piedestaltisch fand Gigi längst nicht so cool wie den fabelhaften französischen Bauerntisch, den Mom verkauft hatte, direkt unter den Füßen ihrer Familie weg – obwohl sie das Geld nicht brauchten. Gigi wünschte, ihre Mutter würde den Antiquitätenladen schließen oder wenigstens mehr Leute einstellen, damit sie daheim endlich mal was Anständiges essen könnten statt des tiefgefrorenen Zeugs. Aber Mom sagte, wenn das Gigi
so sehr stören würde, sollte sie doch selber kochen. Worauf es ankam, begriff Winifred absolut nicht.
In der Teakholz-Salatschüssel lagen ein paar grüne Blätter und verschrumpelte Möhren aus dem Fertigbeutel. Früher hatte Mom trotz aller Aufsichtsratssitzungen in ihren diversen Komitees tolle Salate serviert – frische Tomaten und Schweizer Käse und Orzo, der wie dicke Reiskörner aussah, aber in Wirklichkeit Gerste war. Dazu hatte sie sogar Croutons geröstet, mit viel Knoblauch, den Gigi liebte, obwohl nach dem Essen ihr Atem stank.
»Ich will Orzo drauf«, maulte sie.
»Dafür hatte ich keine Zeit.« Mom ging zur Hintertür und steckte den Kopf hinaus. »Sind die Steaks fertig, Ryan?«
»Gleich.«
Das ganze Jahr über grillte Gigis Dad im Patio, was er nur ungern tat. Aber die Mutter meinte, gegrilltes Fleisch würde besser schmecken, und er fühlte sich schuldig, weil er nur selten zu Hause aß. Er war Aufsichtsratsvorsitzender von CWF. Deshalb lastete eine große Verantwortung auf seinen Schultern. Die Fensterglasfabrik gehörte Nana Sabrina, aber sie wurde vom Vorstand geleitet, und Dad hatte sich wie alle anderen nach oben gearbeitet. Vor einiger Zeit hatte Gigi ihre Mom zur Großmutter sagen hören, Ryan würde für zehn Leute schuften, weil er nach wie vor glaube, er müsse sich beweisen. Nana bewohnte ein echt cooles Haus am Scenic Drive in Pass Christian, unten am Golf. Manchmal betonte Dad, das sei
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