Frühstück im Bett
klappt’s sicher viel besser.«
In seinen Augen erschien jener sorgenvolle Ausdruck, den sie neuerdings sehr oft sah. »Warum kommst du nicht am Samstagmorgen mit mir in die Fabrik? Allzu lange werde ich nicht da bleiben, und du kannst mit dem Computer spielen.«
Stöhnend verdrehte sie die Augen. Früher hatte sie ihn gern ins Büro begleitet, jetzt fand sie’s langweilig. »Nein, danke, ich und Chelsea gehen rüber zu Shannon.«
»Chelsea und ich«, wurde sie von ihrer Mutter verbessert.
»Gehst du auch zu Shannon?«
»Das reicht, Gi!«, fauchte ihr Vater. »Sei bloß kein Klugscheißer!«
Sie runzelte die Stirn, verzichtete aber auf eine freche Antwort, die sie ihrer Mom geben würde. Mit solchen Sprüchen würde sie ihren Dad bis zur Weißglut ärgern, und sie hatte eben erst ihre Telefonrechte zurückerhalten.
Während der restlichen Mahlzeit sagte ihre Mutter nicht viel. Das war ungewöhnlich, denn wenn Dad zum Dinner auftauchte, versuchte sie ihn stets zu amüsieren und wählte unterhaltsame Gesprächsthemen. Aber an diesem Abend starrte sie geistesabwesend vor sich hin, und Gigi fragte sich, ob das irgendwie mit der Rückkehr einer gewissen Person zusammenhing, deren Name nicht genannt werden durfte.
Dass ihre Eltern darüber eisern schwiegen brachte sie in helle Wut. Diese Neuigkeit hatte ihr Chelsea verraten, die von ihrer Mom eingeweiht worden war. Aber Gigis Eltern benahmen sich so, als wäre sie noch ein doofes Kind. Wo doch jeder wusste, dass ihre Großmutter Moms Dad, Griffin Carey, erst geheiratet hatte, als die kleine Winifred noch zur High School gegangen war. Warum musste man so ein Geheimnis aus seiner anderen Familie machen? Wen interessierte das schon? Aber
wie Gigi sich eingestehen musste, war sie sehr, sehr neugierig. Das Telefon läutete, und sie rannte zum Apparat, weil sie Chelseas Anruf erwartete. »Darf ich mich entschuldigen?«
Sie erwartete, Mom würde Nein sagen, so wie üblich. Das geschah nicht. Also ergriff Gigi das Mobilteil und stürmte die Treppe hinauf. An diesem Abend war einfach alles gespenstisch.
Winnie schaute Gigi nach und fragte sich, was aus dem kleinen Mädchen geworden war, das sich in ihrer Gesellschaft am wohlsten gefühlt hatte. Vor einem Jahr um diese Zeit war Gigi aus der Schule nach Hause gelaufen, eifrig bestrebt, ihre Erlebnisse zu schildern, und so aufgeregt, dass sie gestottert hatte.
Auch Ryan blickte zur Tür. »Vielleicht solltest du ihr die Freundschaft mit Chelsea ausreden. Dieses Mädchen sieht wie eine Reklame für Kinderpornos aus.«
Obwohl sie ihre Hände im Schoß ballte, fragte sie mit ruhiger Stimme: »Und wie bitte soll ich Gigi von Chelsea fern halten?«
»Tut mir Leid«, seufzte er, »ich bin einfach nur frustriert. Dauernd stelle ich mir vor, sie wird diese Phase überwinden und sich in unsere Tochter zurückverwandeln.«
Winnie und Ryan debattierten nur selten. Gewiss, manchmal waren sie verschiedener Meinung, aber das hatte sich sets nur in kühlem Schweigen geäußert. Was Ehepaare wie Merylinn und Deke trieben, verstand Winnie nicht. Während eines Streits hatte Deke ein Loch in die Garagenwand geschlagen. Und so was erzählten sie den Leuten auch noch.
»Meine Frau konnte ich doch nicht verprügeln«, hatte Deke erklärt, und Merylinn war in Gelächter ausgebrochen.
Ryan lehnte sich zurück. »In diesen Kleidern sieht sie wie ein Straßenkind aus.«
Noch etwas, für das sie verantwortlich war. An diesem Tag
trug Gigi das grauenhafte Hemd, das sie im Heilsarmee-Laden gekauft hatte. In ihrer teuren Garderobe war sie in der Schule zum Gespött geworden. Das hätte Winnie wissen müssen. Aber sie hatte ihr Bestes getan – im Irrglauben, sie würde das Selbstvertrauen ihrer Tochter stärken – und zu lange auf ihrem falschen Standpunkt beharrt. Erbost warf sie ihre Serviette auf den Tisch. »Diesmal musst du mit ihr reden. Mich hasst sie ohnehin schon zur Genüge.«
Wie war es dazu gekommen? Winnie wollte die Mutter sein, die sie sich selbst gewünscht hatte. Natürlich war sie nicht direkt vernachlässigt worden. Aber Sabrina, finanziell von Griffin Careys Wohlwollen abhängig, hatte ihre ganzen Energien in diese Liaison investiert, und für die emotionalen Bedürfnisse ihrer Tochter war nicht viel übrig geblieben. Sabrina hatte Diddie Carey leidenschaftlich gehasst. Und sie ärgerte sich maßlos, weil Diddie die strahlend schöne Sugar Beth geboren hatte und sie selbst ein so unscheinbares Kind. Nicht einmal
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