Frühstück im Bett
Griffins abgöttische Liebe zu Winnie beruhigte Sabrina. Da sie das skrupellose Wesen ihres Liebhabers kannte, erwartete sie jeden Augenblick, er würde sich seiner legitimen Tochter zuwenden. Aber das war nicht geschehen. Und Winnie vermisste ihn immer noch schmerzlich.
»Unsinn, Gigi hasst dich nicht«, erwiderte Ryan, »sie ist einfach nur ein Teenager.«
»Da steckt mehr dahinter. Am liebsten würde ich diese Mädchen verprügeln, die sie letzten Sommer so grausam verhöhnt haben. Reiner Neid!«
»Immerhin hat Gigi sie dazu herausgefordert. Keine Bange, sie wird schon wieder Vernunft annehmen.«
Trotz seiner Worte wusste Winnie, dass er genauso besorgt war wie sie. Sie stand auf und begann, das Geschirr ins Spülbecken zu stellen. »Zum Dessert gibt’s nur Eiscreme.«
»Vielleicht später.« Ryan war kein besonders wählerischer Esser. Meistens vergaß er seine Mahlzeiten. Deshalb blieb er so schlank, während sie auf jeden Bissen achten musste.
Sie würde ihm von Sugar Beths Besuch im Antiquitätenladen erzählen. Sonst könnte der Eindruck entstehen, sie würde diesem Wiedersehen eine zu große Bedeutung beimessen. Aber als sie nach den richtigen Worten suchte, fiel ihr das Weinglas aus der Hand, das sie gerade auswusch, und zerbrach im Spülbecken.
»Bist du okay?« Sofort sprang er auf und eilte zu ihr. Sie wünschte, er würde sie umarmen. Stattdessen betrachtete er die Splitter.
»Ja. Machst du Kaffee? Inzwischen bringe ich das in Ordnung.«
Während sie die größeren Scherben in den Mülleimer warf, fragte sie sich, warum sie an diesem Tag keine Genugtuung empfand. Die Jahre hatten ihren Tribut von Sugar Beth gefordert. Zum ersten Mal war Winnie ihr überlegen.
In ihrem letzten High-School-Jahr – nachdem Sugar Beth und Ryan ihr College-Studium begonnen hatten – war sie aufgeblüht. Sie aß nicht mehr so viel und wagte sogar, ihr Haar schneiden zu lassen. Im Grunde ihres Herzens war sie immer noch ein unbeholfenes Mädchen. Aber ihre äußere Erscheinung strahlte ein neues Selbstbewusstsein aus, das nach Griffins und Sabrinas Hochzeit noch wuchs. Plötzlich war sie das reiche Mädchen gewesen, das in Frenchman’s Bride gewohnt hatte.
Winnies Finger berührten die Perlen an ihrem Hals. Was sie in Sugar Beths Augen gelesen hatte – diese unverhohlene Verzweiflung –, war die höchste Erfüllung ihrer jahrelang ersehnten Rache gewesen. Das hätte sie richtig genießen müssen. Die Vergangenheit bahnte sich einen Weg durch die klickenden Geräusche der Heizung und den Duft der Kaffeebohnen, die Ryan mahlte.
Plötzlich war sie wieder sechzehn Jahre alt, und sie rannte durch den Turnsaal, nachdem ihr Algebra-Heft vor Sugar Beths Füße gefallen war und sich geöffnet hatte.
»Gib’s mir zurück!« Hoch und schrill hallte Winnies Stimme von den Deckenbalken des großen Raums wider.
Aber Sugar Beth stieg die Zuschauertribüne hinauf, das geöffnete Heft in der Hand. Groß und gertenschlank, blond und schön, schien sie alles Böse dieser Welt zu verkörpern. »Hört mal zu! Winnie hat nicht nur mathematische Hausaufgaben gemacht.«
Da verstummte das Geschwätz der Gorgonien, und Winnies Herz hämmerte so heftig gegen die Rippen, dass sie fürchtete, es würde aus der Brust springen. »Sugar Beth, ich warne dich …«
Aber Sugar Beth lächelte nur und stieg noch eine Stufe hinauf.
Als Winnie ihr folgen wollte, blieb ihr Turnschuh an einem Stuhlbein hängen, und sie strauchelte. »Gib’s mir!«
»Warum regst du dich so auf?«, spottete Sugar Beth. »Hier sind doch nur Mädchen.«
Unbehaglich umfasste Amy das goldene Kreuz an ihrem Hals. »Bitte, Sugar Beth – vielleicht solltest du’s nicht lesen, wenn Winnie was dagegen hat.«
Sugar Beth ignorierte sie. »Das werdet ihr nicht glauben.«
Mühsam kämpfte Winnie mit den Tränen. Nur ein einziges Mal wollte sie sich gegen Sugar Beth behaupten – aber ihre Feindin war viel zu stark, viel zu mächtig. »Das ist privat. Gib’s sofort zurück!«
»Ach, sei nicht kindisch.« An Sugar Beths Ohren funkelten die goldenen Ringe, als sie ihre seidige Mähne zurückwarf. Dann begann sie vorzulesen: »›Er betrachtete meine nackten Brustwarzen.‹«
Da begannen alle Mädchen zu lachen – sogar Amy, obwohl sie immer noch ihr goldenes Kreuz berührte.
Unter Winnies Achseln rann Schweiß in die Bluse. Seit ein paar Monaten vertraute sie ihre Träume diesem Heft an, das sie ganz hinten in ihrem Spind im Umkleideraum versteckt hatte.
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