Frühstück im Bett
himbeerrote Strickjacke. Dann zog sie Nylonstrümpfe und Stiefel an und eilte wieder zu ihrem Volvo. Da die Versicherungsgesellschaft das höchste Gehalt anbot, wollte sie dort ihr Glück zuerst versuchen. Zu ihrem Leidwesen saß Laurie Ferguson in der Personalabteilung.
In der Schule hatte sie Laurie gemocht und ihr – soviel sie sich entsann – nichts besonders Schlimmes angetan. Aber wie sich bald herausstellte, hing Laurie anderen Erinnerungen nach.
»Hi, Sugar Beth Carey, ich habe schon gehört, dass du wieder in der Stadt bist. Aber ich hätte nie erwartet, dich hier zu sehen.« Jetzt waren ihre Haare nicht mehr braun, sondern hellrot und die Ohrringe zu groß für das kleine, scharf geschnittene Gesicht. Ein Acryl-Fingernagel, mit einer winzigen amerikanischen Flagge bemalt, trommelte auf den Schreibtisch. »Suchst du wirklich einen Job? Wenn man sich das vorstellt …« Sie sog an ihrer Zigarette und dachte gar nicht daran, Sugar Beth Platz anzubieten. »Das musst du verstehen, wir können nur jemanden einstellen, der ernsthaft arbeiten will.«
Nach Sugar Beths Meinung hatte ein Bürojob nichts mit ernsthafter Arbeit zu tun. Trotzdem lächelte sie. »Das ist doch selbstverständlich.«
»Und wir brauchen jemanden, der sich langfristig bindet. Bleibst du in Parrish?«
Mit dieser Frage hatte Sugar Beth gerechnet. Obwohl sie – ein gebranntes Kind – die Wahrheit nur widerstrebend verschleierte, fühlte sie sich zu einer ausweichenden Antwort gezwungen. »Vielleicht weißt du, dass ich ein Haus in dieser Stadt besitze.«
»Also bleibst du hier?«
Das Glitzern in Lauries Augen erregte den Verdacht, sie wäre eher daran interessiert, den Klatschmäulern Gesprächsstoff zu liefern, als Sugar Beth einen Job anzubieten. Andererseits müsste sie die Chance reizen, Griffins und Diddies Tochter zu erniedrigen. Der Gedanke an die fast leere Hundefutterpackung im Kutschenhaus bewog Sugar Beth, höflich zu erwidern: »Ich kann nicht versprechen, mein Leben in Parrish zu beenden. Aber ich möchte eine ganze Weile hier bleiben.« Wie lange würde sich noch zeigen.
»Okay.« Laurie blätterte in einigen Papieren. Dann schenkte sie ihr ein selbstgefälliges Lächeln. »Würdest du dich einem Test unterziehen? Ich muss feststellen, ob du über die minimalen Kenntnisse in Mathematik und Englisch verfügst, die wir verlangen.«
Da konnte sich Sugar Beth nicht länger beherrschen. »Oh, das stört mich nicht im Mindesten. In Mathematik bin ich besonders gut. Daran erinnerst du dich sicher, nachdem du meine Algebra-Hausaufgaben oft genug abgeschrieben hast.«
Dreißig Sekunden später stand Sugar Beth auf dem Gehsteig.
Während sie in Parrish aufgewachsen war, hatte die Crèmede-la-Crème-Bäckerei anders geheißen – Glendora’s Café. Unglücklicherweise brauchte die neue Besitzerin jemanden, der Reparaturarbeiten erledigen und backen konnte. Als sie Sugar Beth einen verstellbaren Schraubenschlüssel reichte, mit dem sie ihre Fähigkeiten demonstrieren sollte, erledigte sich die Angelegenheit von selbst. Jetzt hing alles vom Antiquitätenladen ab.
Im stilvollen Schaufenster von Yesterday’s Treasures standen ein Schaukelpferd, eine alte Truhe voller Steppdecken, ein Stuhl mit geschwungenen Beinen und ein handbemalter Krug mit passender Waschschüssel. Bei diesem Anblick besserte sich Sugar Beths Laune. Was für ein wunderbarer Arbeitsplatz. Vielleicht lebte der Besitzer noch nicht lange in Parrish, so wie
die Frau in der Bäckerei, und wusste nichts von Sugar Beths Vergangenheit.
Eine altmodische Glocke bimmelte über der Tür. Im Laden wehte ihr eine Cello-Suite von Bach entgegen, und sie atmete den angenehmen, würzigen Duft alten Holzes ein. Englisches Porzellan und irisches Kristall schimmerten auf antiken Tischen.
In den offenen Schubladen einer Kirschbaumholz-Kommode lagen exquisite alte Leinenstoffe. Auf einem extravaganten Schreibtisch aus Rosenholz wurden Taschenuhren, Halsketten und Broschen ausgestellt. Alles in diesem Geschäft war von erstklassiger Qualität, perfekt arrangiert und liebevoll gepflegt.
»Einen Augenblick, ich komme gleich!«, rief eine Frauenstimme aus dem Hintergrund.
»Lassen Sie sich nur Zeit.«
Während Sugar Beth ein zauberhaftes Arrangement aus viktorianischen Hutschachteln, seidenen Veilchen und handgemachten Schilfkörben voller gefleckter brauner Eier bewunderte, trat eine Frau aus den Schatten hervor. Kunstvoll geschnitten, reichte ihr dunkles Haar fast bis zum
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