Frühstück im Bett
krank vor Aufregung, brachte sie an einem Aprilnachmittag ihr Zeugnis nach Hause. Diddie lobte sie überschwänglich. Aber die Anerkennung der Mutter bedeutete ihr nichts. Und so wartete Sugar Beth auf die Heimkehr des Vaters und stellte sich vor, wie er sich über ihr Zeugnis freuen und sie lachend umarmen würde.
»Was für eine kluge Tochter ich habe! So stolz bin ich auf dich, mein Sugar Baby. Gib deinem Daddy einen dicken Kuss.«
Vor lauter Nervosität konnte sie nicht zu Abend essen. Stattdessen saß sie auf der Veranda und sehnte das Auto ihres Vaters herbei. Als es dunkel wurde, erschien er noch immer nicht. Diddie erklärte, es sei nicht so wichtig, und schickte sie ins Bett.
Aber es war wichtig. Am Samstagmorgen erwachte sie. Da hatte er das Haus bereits verlassen. Sie ergriff ihr kostbares
Zeugnis – den magischen Schlüssel zur Liebe des Vaters – und schlich durch die Hintertür hinaus. Entschlossen rannte sie durch den Hof zu ihrem rosafarbenen Fahrrad, legte das Zeugnis in den Korb und schwang sich auf den Bananensitz. Schnell wie der Wind fuhr sie die Mockingbird Lane hinab, die Turnschuhe wild bewegt, die hufeisenförmigen Haarspangen angenehm warm an der Kopfhaut, mit jubelndem Herzen.
Endlich wird mich mein Daddy lieben!
Wie sie zu dem Haus gelangt war, in dem er manchmal mit der anderen Frau gewohnt hatte, wusste sie nicht mehr. Oder warum sie geglaubt hatte, an jenem Morgen würde sie ihn dort antreffen. Aber sie erinnerte sich an den gepflegten Bungalow, etwas abseits von der Straße, an die geschlossenen Vorhänge an den Fenstern. Auf der Zufahrt, hinter dem Auto des Vaters hatte sie ihr Fahrrad abgestellt. Das Zeugnis in der Hand, rannte sie zu den Eingangsstufen.
Hinter dem Haus drangen leise Stimmen hervor, und sie hielt inne. Dann wandte sie sich zum Zaun, der den schönen, von Bäumen überschatteten Garten umgab, und ging zum halb offenen Gatter. Mit verschwitzten Fingern umklammerte sie das Zeugnis und lächelte voller Vorfreude.
Als sie durch die Gartenpforte spähte, sah sie ihn in einem großen Liegestuhl sitzen, auf den Steinplatten eines Patios. Sein gelbes Hemd, am Kragen aufgeknöpft, enthüllte das schimmernde dunkle Kraushaar, an dem sie niemals zupfen durfte. Ihr Lächeln erlosch, von unheimlichen Gefühlen verscheucht. An ihren Beinen schienen große Spinnen hochzukriechen. Weil er nicht allein war. Auf seinem Schoß saß eine Schülerin aus der zweiten Klasse namens Winnie Davis, den Kopf an seiner Schulter, mit baumelnden Füßen. Irgendwie erweckte sie den Eindruck, sie würde jeden Tag dort sitzen. Er las ihr aus einem Buch vor, mit komisch verstellter Stimme. So wie Diddie, wenn sie Sugar Beth etwas vorlas.
Jetzt krabbelten die Spinnen über ihren ganzen Körper, sogar
in den Bauch, und sie fürchtete, sie würde sich übergeben. Winnie lachte über die albernen Stimmen, die er den handelnden Personen der Geschichte verlieh, und er küsste ihren Scheitel. Ohne dass sie ihn darum bat.
Das wundervolle Zeugnis entglitt ihren Fingern. Offenbar hatte sie einen Laut hervorgestoßen, denn er hob den Kopf und entdeckte sie. Da stellte er Winnie auf den Boden und sprang auf. Die buschigen schwarzen Brauen zusammengezogen, starrte er Sugar Beth an. »Was machst du hier?«
Kein einziges Wort brachte sie hervor, konnte ihr magisches Zeugnis nicht erwähnen oder erklären, wie stolz er auf sie sein müsste.
Er ging zu ihr, ein unscheinbarer Mann mit kurzen Beinen und gewölbter Brust. »Was bildest du dir ein? Geh sofort nach Hause!« Achtlos trat er auf das Zeugnis, das am Boden lag. »Hier darfst du nie wieder herkommen, verstanden?«, herrschte er sie an, packte ihren Arm und zerrte sie zur Auffahrt. Winnie folgte ihnen. Doch sie blieb am Gatter stehen.
Verzweifelt begann Sugar Beth zu weinen. »W-warum hat sie auf deinem Schoß gesessen?«
»Weil sie ein braves Mädchen ist – und nirgendwo uneingeladen auftaucht. Jetzt steig auf dein Fahrrad und fahr nach Hause.«
»Daddy?«, rief Winnie vom Zaun herüber.
»Schon gut, Schätzchen.«
In Sugar Beths Brust breitete sich ein unerträglicher Schmerz aus, durch einen Tränenschleier schaute sie zu ihrem Vater auf. »Warum nennt sie dich so?«
Ohne sie anzuschauen, zog er sie noch weiter vom Haus weg. »Das braucht dich nicht zu interessieren.«
Schluchzend drehte sie sich zu Winnie um. »Er – er ist nicht dein Daddy! So darfst du ihn nicht anreden …«
Als er sie unsanft schüttelte, verstummte sie.
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