Frühstück im Bett
war er der Meinung gewesen, so viel Stress würde sich nicht lohnen. Dann flatterte ihr blondes Haar im Wind. Und da sah sie so unschuldig aus, völlig unberührt von all dem Leid, das sie verschuldet hatte. In jenem Augenblick hatte er sich anders besonnen.
Vernichten wollte er sie nicht, aber ein paar Wunden sehen – oder wenigstens aufrichtige Tränen ihrer Reue. Wie sogar die
gutmütigsten Menschen zugeben mussten – er verdiente viel mehr, als er bisher bekommen hatte. Die Kette vor ihrer Zufahrt glich einem Pusterohr, das man auf einen Elefanten richtete. Aber der Job einer Haushälterin würde den angestrebten Zweck erfüllen.
Sprachlos entsetzt über das beleidigende Gehalt, das er ihr offerierte, umklammerte sie eine Stuhllehne. »Eine so billige Arbeitskraft würden Sie nirgendwo finden.«
»Vergessen Sie nicht«, entgegnete er in gebieterischem Ton, »Sie werden meine Lebensmittel essen und zweifellos auch mein Telefon benutzen. Dazu kommen die diversen kleinen Diebstähle, die sich jeder Dienstbote erlaubt.«
Entrüstet riss sie die blauen Augen auf.
»Nur um zu beweisen, dass ich kein Unmensch bin, werde ich die Kette vor Ihrer Zufahrt entfernen …« Von einer plötzlichen Inspiration fasziniert, unterbrach er sich. »Und ich bezahle natürlich Ihre Uniform.«
»Uniform!«
O ja. Wenn er ihr erlaubte, in engen Jeans und verführerischen Tops in seinem Haus herumzulaufen, würde sie ihn zu sehr ablenken. Allein schon ihr Anblick in der Küche, als sie die Chips ins oberste Fach des Regals gelegt hatte, war viel zu verlockend gewesen – die gestreckten langen Beine, das bisschen nackte Haut unter dem hochgerutschten engen Pullover … Darin lag die beklagenswerte Schwäche des männlichen Geschlechts – sein Körper erkannte das Gift nicht, nur sein Gehirn registrierte die Gefahr.
»Im einundzwanzigsten Jahrhundert?«
»Die Einzelheiten besprechen wir an Ihrem ersten Arbeitstag.«
»Also gut, Sie Hurensohn.« Sugar Beth biss ihre kleinen, ebenmäßigen Zähne zusammen. »Aber Sie kaufen das Hundefutter.«
»Mit Vergnügen. Morgen früh erwarte ich Sie, um sieben Uhr.«
Nur zögernd ging er zur Haustür, irgendwie noch nicht ganz zufrieden. Er musste ihr unmissverständlich klar machen, in welcher Situation sie sich befinden würde, und so dachte er konzentriert nach. Schließlich fand er den letzten Nagel, den er in ihren Sarg hämmern konnte.
»Betreten Sie das Haus durch die Hintertür, okay?«
Colin Byrnes Haushälterin! Wütend stürmte Sugar Beth im Kutschenhaus umher, bis Gordon die Geduld verlor und nach ihrem Fußknöchel schnappte. Den ließ er erst los, als sie zu merken schien, dass er’s ernst meinte. Sie bückte sich und untersuchte ihre misshandelte Haut. Aber er war viel zu raffiniert, um sie zu verletzen. »Eines Tages wirst du Spuren hinterlassen, Fettwanst. Und dann werfe ich dich raus.«
Gleichmütig hob er ein Hinterbein und leckte seine Geschlechtsteile ab.
Sie rannte die Treppe hinauf und hoffte, ein ausgedehntes heißes Bad würde sie beruhigen. Im Badezimmer, unterhalb des kleinen Fensters mit der vergilbten Jalousie, stand eine Wanne mit Klauenfüßen. Sugar Beth ließ ihre Kleider auf die antiquierten schwarzweißen Honigwabenfliesen fallen, steckte ihr Haar hoch und schüttete Tante Tallulahs Maiglöckchen-Badesalz ins Wasser. Während sie in den duftenden Schaum hinabsank, versuchte sie die Dinge von der positiven Seite zu betrachten.
Den Bahnhof, das Kutschenhaus und das Studio hatte sie gründlich durchsucht. Also blieb nur noch ein einziges Gebäude übrig, wo sich das Bild befinden könnte. Frenchman’s Bride. Woanders hätte Tallulah ihr kostbarstes Eigentum wohl kaum versteckt. Aber warum hatte sie’s vor Byrnes Einzug nicht herausgeholt? Es sei denn, sie war damals schon zu krank gewesen.
Im Frühling 1954 war Lincoln Ash in Parrish angekommen.
Bis dahin hatte er ein Apartment in Manhattan bewohnt, mit kaltem Fließwasser, und zusammen mit dem ebenfalls verarmten Jackson Pollock die Cedar Bar in Greenwich Village frequentiert. Die etablierte Kunstgemeinde verspottete die Werke der so genannten »Kleckser«. Aber die Öffentlichkeit beachtete sie allmählich, auch Sugar Beths Großmutter, die sich für eine Gönnerin der Avantgarde hielt. Sie stellte Ash für drei Monate Kost und Logis zur Verfügung, ein Atelier und ein kleines Stipendium. Voller Stolz bezeichnete sie sich als die erste Frau im nördlichen Mississippi, die ihren eigenen
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