Frühstück im Bett
Außerdem fand sie’s wundervoll, wie das Sonnenzimmer den düsteren Hintergrund des Hauses erhellte. Aber sie vermisste noch immer die Schlüssel ihres Vaters, achtlos auf einen Tisch geworfen, und Diddies Parfum, dessen Duft alle Räume durchdrungen hatte.
In ein paar Stunden ist’s vorbei.
Sie eilte ins Speisezimmer, um sich zu vergewissern, dass der Caterer nichts durcheinander brachte. Um die Arme des Kristalllüsters hatte sie Ligurenzweige geschlungen, die den Raum viel gemütlicher gestalteten. Auf dem mokkafarbenen Leinentischtuch sahen die orangegelben Sari-Rosen und die dunkelgoldenen Peru-Lilien genauso hübsch aus, wie sie sich vorgestellt hatte. Den Lüster in der Halle hatte sie bereits gedimmt. Jetzt drehte sie auch im Speiseraum das Licht etwas schwächer, und die alten Wände schienen sie zu umarmen. Mir solltet ihr gehören, dachte sie. Wenn ich euch auch nicht
verdiene und nicht einmal wollte – trotzdem müsstet ihr mir gehören.
Sie redete sich ein, sie habe für diese Party nur so hart gearbeitet, um Colin zu beweisen, sie wäre keine Versagerin. Doch es steckte weitaus mehr dahinter. Sie wollte dieses Haus glänzen sehen. Und sie musste sich beschäftigen, um nicht an die Rolle zu denken, die sie an diesem Abend spielen würde.
Für ein paar Sekunden überließ sie sich dem Traum, sie wäre noch die Tochter von Frenchman’s Bride. Hätte sie sich nicht so intensiv darum bemüht, ihr Leben zu zerstören, würden andere Gäste auf der Dinnerparty erscheinen: die Gorgonien; Ryan; die verrückte alte Mrs Carmichael, die zwar vor zehn Jahren gestorben war, aber stets behauptet hatte, Sugar Beth sei genauso süß wie ihr Name; Bobby Jarrow und Woody Newhouse; Pastor Ferrelle und seine Frau; Tante Tallulah, obwohl sie die Party-Arrangements ihrer Nichte missbilligen würde.
Wo sind die Käsestäbchen deiner Großmutter? Möge der Himmel deine Seele segnen, Sugar Beth – sogar du müsstest wissen, dass du in Frenchman’s Bride keine Party ohne Martha Careys Käsestäbchen geben kannst.
Abrupt löste sich die imaginäre Gästeliste in Luft auf. Das Letzte, was sie an diesem Abend sehen wollte, war ein vertrautes Gesicht.
Gläser klirrten, als Renaldo – der College-Student, der die Drinks servieren würde – ein Tablett mit leeren Champagnergläsern zur Bar im Wohnzimmer trug. Grinsend wandte er sich zu ihr: »Ernie sagt, er braucht Sie in der Küche.«
»Okay, danke.« Denk nicht daran, was dir bevorsteht, tu einfach nur deine Pflicht.
Mit seinem rosa Gesicht, dem kahlen Schädel und den buschigen Brauen glich Ernie, der inkompetente Caterer, einem dämonischen Schweinchen Schlau. Er hatte die Zahnstocher für die Horsd’œuvres-Tabletts vergessen. Also suchte Sugar Beth ein paar hervor und gab sie ihm. Im selben Moment klingelte die Türglocke, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
O nein, jetzt wirst du nicht kneifen. Die Schultern gestrafft, ging sie zur Haustür.
Aber Colin war ihr zuvorgekommen. Lächelnd begrüßte er zwei Männer und eine Frau im schicken schwarzen Outfit, der »New York City« ins Gesicht geschrieben stand. Einer der Männer war über fünfzig und dunkelhäutig. Dem anderen sah man die Elite-Universität deutlich an. Das konnten nur Colins Agent, dessen Ehefrau und Neil Kirkpatrick sein, der Verleger. Diese drei hatte er bereits zum Lunch im Parrish Inn getroffen, wo sie übernachten würden. Sugar Beth sah sie zum ersten Mal.
Mit großen Augen inspizierte die Frau das luxuriöse, von Kerzen erhellte Foyer und die geschwungene Treppe. »O Colin, ich hatte ja keine Ahnung! Welch eine Eleganz!«
Sugar Beth genoss das Kompliment, als wäre es ihr gemacht worden. Natürlich war Frenchman’s Bride nicht die letzte Station auf der Fahrt ins Nirgendwo.
Vom Klavier wehten sanfte Balladenklänge herüber, der Marmorboden schimmerte im samtigen Licht des Lüsters. Kerzen flackerten. So wunderschön … Das Haus zog sie in seinen Bann, und sie glaubte sogar, Diddies Parfum zu riechen.
Darüber musste sie lächeln. Ihre Hand ausgestreckt, schlenderte sie zu den Gästen. »Willkommen in Frenchman’s Bride.«
Verwirrt zuckte die Frau zusammen, und die Männer blinzelten. Da erkannte Sugar Beth plötzlich, was sie verbrochen hatte. Hastig zog sie ihre Hand zurück, und Colin trat vor. »Nehmen Sie Mrs Lucatos Mantel, Sugar Beth«, befahl er in ruhigem Ton.
»Sehr wohl.« Feuerrot vor Verlegenheit, zwang sie sich zu gehorchen. Sie konnte ihn nicht anschauen,
Weitere Kostenlose Bücher