Frühstück im Bett
vergessen.
»Hallo, Colin, mein Süßer!« Lächelnd schmiegte sich Leeann an den Lehrer, der sie beinahe hätte durchrasseln lassen, weil sie für seine Aufsatzthemen zu dumm gewesen war. Jetzt schien es ihn nicht mehr zu stören, dass sie Beowulf wahrscheinlich unverdrossen für einen WWF-Ringer hielt. Ohne auf ihre Kleidung zu achten, nahm er sie in die Arme.
Da bemerkte Sugar Beth, was sie nicht sehen wollte – Leeann trug einen Mantel.
Eigentlich eine Jacke. Aus brauner Wolle abgesteppt, zu dick für das gut geheizte Wohnzimmer. Etwas, das ein Dienstmädchen ihr abnehmen und an den Garderobenständer hängen müsste. Vor lauter Schadenfreude bebte Leeann geradezu, als
sie die Jacke auszog und Sugar Beth zuwarf. »Sei bloß vorsichtig damit, das ist mein Lieblingsstück!«
Durch Sugar Beths Gehirn schwirrte ein Dutzend Beleidigungen. Doch sie sprach keine einzige aus, denn sie hatte ihrer ältesten Freundin den Rücken gekehrt wegen eines läppischen Baseballstoppers namens Darren Tharp.
Während sie die Halle durchquerte, schauten ihr alle nach. Und die Jacke, die über ihrem Arm hing, wog tausend Pfund.
Wieder läutete die Türglocke. Sie ging weiter. Sie wollte nichts hören, nichts sehen.
»Würden Sie die Tür öffnen, Sugar Beth?«, bat Colin mit sanfter Stimme.
Kalte Angst drehte ihr den Magen um, und der Weg zur Tür schien kein Ende zu nehmen. Noch mehr Gorgonien?
In Parrish lebten keine mehr. Alle anderen waren weggezogen. Aber einige ihrer Freunde waren hier geblieben …
Sie öffnete die Tür.
Wie vertraut er aussah … Als hätte sie ihn an diesem Morgen zum letzten Mal gesehen. Und doch – die Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen. Sie schaute in seine Augen und wusste, dass der Teenagerjunge in ihrer Erinnerung nur ein Schatten des Mannes war, der jetzt vor ihr stand – attraktiver denn je, selbstbewusst und geschliffen, das blonde Haar etwas dunkler, aber die Augen im selben warmen Karamellbraun. Zum schwarzweißen Fischgrätenjackett passte das dezent gestreifte Hemd geradezu perfekt, beides edel und teuer. Aber obwohl er so gut aussah, verspürte sie keine Leidenschaft, nichts von jenem heißen Verlangen, das Colin Byrne erregte, stattdessen Nostalgie und tiefes Bedauern.
Auf ihrem Arm brannte Leeanns Wolljacke wie Feuer. Die Pianistin spielte einen Sting-Song. Mit den Careys verglichen, war Ryans Familie arm gewesen, ihr Haus klein und beengt. Die Galantines hatten sich nur gebrauchte Autos leisten können. Doch daran hatte er sich nie gestört und schon als Junge seinen Wert erkannt, denn Sugar Beth hatte sein Selbstbewusstsein
gestärkt. Wenigstens darauf durfte sie stolz sein. Andererseits – vielleicht war es nur Sex gewesen, was sie miteinander verbunden hatte.
»Hallo, Sugar Beth.«
Sie versuchte seinen Namen auszusprechen. Aber er blieb ihr im Hals stecken, und sie konnte nur nicken.
Verlegen trat sie zurück, um die beiden einzulassen – denn Ryan war natürlich nicht allein gekommen.
Winnie hatte Diddies Perlen durch einen Diamanten mit Rautenschliff ersetzt. Zwischen dunklen Haaren funkelten passende Ohrstecker. Sie trug einen eng anliegenden basilikumgrünen Hosenanzug mit einer smaragdgrünen Paillettenbluse. In diesen Farben hätte Sugar Beth blass gewirkt. Aber Winnie hatte Griffins Oliventeint geerbt und sah hinreißend aus.
Anders als Leeann und Merylinn zeigte sie keine Schadenfreude. Als sie Sugar Beths Blick erwiderte, sandte sie triumphale Würde aus. Sollte alle Welt den schönen, reichen Schwan sehen, in den sich das hässliche Entlein, die plumpe Außenseiterin, verwandelt hatte.
Ryan legte einen Arm um Winnies Schultern. Was er damit zum Ausdruck brachte, verstand Sugar Beth sehr gut. Colin trat vor.
Neben den beiden Männern wirkte Winnie zierlich und feminin. Wie klein sie war, hatte Sugar Beth vergessen.
Colin tauschte einen freundschaftlichen Kuss mit Winnie. »Heute Abend siehst du wieder einmal fantastisch aus, meine Liebe. Aber daran bin ich ja gewöhnt.« Sein Lächeln verriet, dass er Leeann und die anderen Gorgonien zwar mochte, aber für Winnie tiefere Gefühle empfand.
»Leider haben wir uns verspätet. Ryan musste sich um einen Notfall in der Fabrik kümmern.«
»Bei einem Fließband sind technische Probleme aufgetaucht«, erklärte Ryan. »Jetzt läuft’s wieder.«
»Freut mich zu hören.« Colin und Ryan schüttelten sich
die Hände, lässig und beiläufig, zwei Männer, die einander mochten.
Welch ein Kontrast –
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