Frühstück im Bett
nicht ertragen, dass er sie beobachtete. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie zehn Tage voller schlauer Sprüche und Eigensinn zunichte gemacht, zehn Tage, vom eifrigen Bestreben erfüllt, ihm nicht zu zeigen, wie es sie schmerzte, den Dienstboten in diesem Haus zu spielen, das ihr gehören müsste.
Irgendwie gelang es ihr, in die Wäschekammer zu flüchten, wo sie einen Kleiderständer für die Mäntel aufgestellt hatte. Verdammt, sie war nahe daran gewesen, sich den Gästen vorzustellen, als hätte sie ein Recht dazu. Ihre Wangen brannten, und sie wollte davonlaufen. Aber sie war gefangen, in diesem Haus, in dieser Stadt – dem Mann ausgeliefert, der ihr nur das Allerschlimmste wünschte.
Wieder läutete die Glocke, schwach, aber vernehmlich. Sie dachte an Delilah, stählte ihren Rücken und ging zur Tür. Diesmal trat ein älteres Ehepaar ein, und sie schaffte es, die beiden höflich und distanziert zu begrüßen. Danach erschienen die Gäste kurz hintereinander, und schließlich überquerte Bürgermeister Aaron Leary mit seiner Frau die Schwelle.
»Hallo, Sugar Beth!«, rief er. »So lange haben wir uns nicht gesehen.«
»Sehr lange.«
»Das ist meine Frau, Charise.«
Da die gertenschlanke Frau an seiner Seite nicht aus Parrish stammte, hob sie erstaunt die Brauen, weil ihr Mann sie einem Dienstmädchen vorstellte.
»Freut mich, Sie kennen zu lernen, Mrs Leary«, murmelte Sugar Beth. Den Fehler, ihre Grenzen zu überschreiten, würde sie nicht noch einmal begehen. Auf keinen Fall, während Colin in der Nähe stand und genau darauf wartete.
Wie sie annahm, waren mehrere Paare aus Oxford gekommen – offenbar Professoren. Alle begrüßten Colin, als würde er zu ihnen gehören – was er nicht einmal in tausend Jahren erreichen würde. Sie spürte, dass er jeden einzelnen ihrer Schritte beobachtete. Natürlich, er wollte sie leiden sehen – das war seine Rache, die sie akzeptieren musste.
Etwas später traf Jewel Myers mit der blond gelockten Verkäuferin ein, die in der Kinderabteilung der Buchhandlung arbeitete. Sugar Beth erinnerte sich, wie Ellie ihr Kind auf die Veranda geschickt hatte, mit einem Krug, den es der Tochter des Hauses und ihren Freundinnen servieren sollte.
»Diese Limonade ist nicht rosa, Jewel. Bring sie zurück und sag Ellie, wir wollen rosa Limonade trinken.«
»Nun, nun …« Jewel begutachtete Sugar Beths schwarze Hose und die weiße Bluse. »Mit jedem Tag wird die Welt interessanter.«
Erst letzte Woche hatte Sugar Beth auf Jewels Freundschaft gehofft. Jetzt erkannte sie, wie unmöglich das war. »Soll ich deine Stola nehmen?«
»Die behalte ich erst mal.«
In Sugar Beths Ohren dröhnten Stimmen aus der Vergangenheit.
»Nein, Jewel, ich will keinen Schinken. Sag Ellie, sie soll mir Erdnussbutter und Honig bringen.«
»Ja, Miss Scarlett.«
Genauso hatte Jewel sie genannt, und Sugar Beth redete sich ein, sie hätte gelacht. Sicher nur Wunschdenken …
Im Wohnzimmer sah sie Colin stehen, den Kopf zu einem Professor geneigt. Doch sie wusste, das war nur eine Pose. Seine Aufmerksamkeit galt nur ihr – die Stunde der Vergeltung.
»Vermutlich will Meredith ihren Mantel ausziehen«, verkündete Jewel sichtlich amüsiert.
Erleichtert nutzte Sugar Beth die Gelegenheit zur Flucht. Während sie den Mantel an den Kleiderständer in der Wäschekammer hängte, schickte sie ein stummes Gebet zum Himmel. Okay, lieber Gott, wär’s nicht an der Zeit für ein kleines bisschen Gnade? Klar, ich war ein schreckliches Mädchen. Inzwischen habe ich’s begriffen. Aber ich habe versucht, mich zu bessern, zumindest in gewisser Weise … Würdest du bitte aufhören, mich zu quälen?
Aber der Allmächtige weigerte sich, die Gebete einer abgetakelten Southern Belle zu erhören. Denn als sie das nächste Mal die Haustür öffnete, standen die Gorgonien vor ihr.
Nicht alle. Nur Leeann und Merylinn. Doch das genügte. Sugar Beth starrte in ihre Gesichter, so vertraut und doch verändert, und sie dachte an Colins Lüge. Was er ihr antun würde,
hätte sie wissen müssen. Und im Grunde ihres Herzens hatte sie’s geahnt.
Leeann und Merylinn starrten zurück – nicht überrascht, denn sie hatten genau das erwartet.
In Leeanns Augen funkelte boshaftes Entzücken. »Oh, Sugar Beth – wir haben schon gehört, dass du wieder in der Stadt bist.«
»Ausgerechnet hier treffen wir dich«, ergänzte Merylinn. »In diesem Haus …«
Früher hatten die beiden zu ihren besten Freundinnen
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