Frühstück mit Kängurus
ä ude, s ä ten keine Samen, hielten kein Vieh, stellten keine Keramik her und hatten so gut wie keinen Sinn f ü r Eigentum. Doch sie verwandten eine horrende M ü he auf Unternehmungen, die selbst heute noch niemand versteht. Ü berall an den K ü sten Australiens, oft ein St ü ck landeinw ä rts und auf Bergen, fanden die fr ü hen Entdecker riesige, bis zu neun Meter hohe und am Fu ß bis zu einem halben Morgen gro ß e Muschelh ü gel. Offensichtlich hatten die Ureinwohner keine Anstrengung gescheut, um die Muscheln vom Meer auf die Berge zu transportieren - ein Haufen bestand nach Sch ä tzungen aus dreiunddrei ß igtausend Kubikmetern Muscheln -, und sie bauten eine enorm lange Zeit daran: in einem Fall mindestens achthundert Jahre. Warum das Ganze? Das wei ß keiner. In fast jeder Hinsicht schienen diese Menschen anderen Gesetzen zu gehorchen.
Ein paar Europäer - vor allem Watkin Tench und James Cook - hegten eine gewisse Sympathie für sie. Ins Logbuch der Endeavour schrieb Cook: »Einigen scheinen sie vielleicht die elendiglichsten Menschen auf Erden, obgleich sie in Wirklichkeit weit glücklicher sind als wir Europäer. Sie leben in einem Frieden, der nicht durch Ungleichheit des Standes gestört wird: Erde und Meer gewähren ihnen von sich aus alles zum Leben Notwendige ... Offenbar maßen sie nichts, das wir ihnen schenkten, einen Wert bei, trennten sich aber auch von nichts, das ihnen gehörte.« An einer anderen Stelle fügte er mit einem Hauch Wehmut hinzu: »Sie schienen nichts anderes zu wünschen, als dass wir wieder abfuhren.«
Leider waren nur wenige andere Entdecker so aufgeklärt. Für die meisten Europäer waren die Aborigines nur ein Störfaktor - »eine Naturgefahr unter anderen«, wie der Naturwissenschaftler Tim Flannery schrieb. Da fiel es leicht, sie als Untermenschen zu betrachten, eine Denkweise, die sich bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hielt. Bis Anfang der Sechzigerjahre benutzten Schulen in Queensland wahrhaftig noch Bücher, die Aborigines mit »ungezähmten Dschungelwesen« verglichen. Und wenn man sie nicht als Untermenschen betrachtete, dann eben einfach als irrelevant. Sie waren tatsächlich so marginalisiert, dass die Regierung Australiens sie bis 1967 bei Volkszählungen nicht einmal mitzählte, in anderen Worten: sie nicht als Menschen ansah.
Hauptsächlich deshalb weiß auch niemand, wie viel Aborigines in Australien waren, als die ersten Briten sich dort niederließen. Die genauesten Schätzungen besagen, dass es circa dreihunderttausend waren, womöglich aber auch bis zu einer Million. Sicher ist nur, dass die Zahl in den ersten hundert Jahren der Besiedelung katastrophal fiel. Ende des neunzehnten Jahrhunderts betrug sie vermutlich nicht mehr als fünfzig- oder sechzigtausend. Man muss aber einräumen, dass diese Dezimierung so nicht unbedingt gewollt war. Die Ureinwohner starben primär an den europäischen Krankheiten. Blattern, Rippenfellentzündung, Syphilis, selbst Windpocken und die milderen Formen von Grippe schlugen oft breite Lücken in die einheimische Bevölkerung. Doch die (Über-)Lebenden wurden oft unmenschlich und bestialisch behandelt.
In Taming the Great South Land beschreibt William J. Lines, durch welch ekelhafte Grausamkeiten sich die Siedler hervortaten. Aborigines wurden für Hundefutter geschlachtet; man zwang eine Frau zuzusehen, wie ihr Mann getötet wurde, und dann den abgeschlagenen Kopf am Hals zu tragen; eine andere Frau jagte man auf einen Baum und folterte sie von unten mit Gewehrschüssen. »Jedes Mal, wenn eine Kugel traf«, berichtet Lines, »riss sie Blätter von dem Baum und stopfte sie in ihre Wunden, bis sie schließlich leblos zu Boden fiel.« Am schockierendsten ist dabei vielleicht, wie beiläufig und in allen Gesellschaftsschichten es passierte. Ein Besucher namens Melville schreibt in einer Geschichte Tasmaniens 1839, wie er eines Tages mit »einem angesehenen jungen Gentleman« zur Kängurujagd ging. Als sie um eine Wegbiegung traten, erspähte der Jüngling eine gebückte Gestalt, die sich hinter einem umgefallenen Baum verbarg. Er ging hin, und als er »feststellte, dass es nur ein Eingeborener« war, schrieb der entsetzte Melville, richtete er die Gewehrmündung auf die Brust des Aborigine »und schoss ihn auf der Stelle tot«.
Ein solches Verhalten wurde praktisch nie als Verbrechen behandelt - ja, offiziell sogar manchmal gut geheißen. 1805 erklärte der amtierende Militärgerichtsrat in New South Wales,
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