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Frühstück mit Kängurus

Titel: Frühstück mit Kängurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill - Bryson
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immerhin die höchste richterliche Instanz im Land, da die Aborigines weder die Disziplin noch die Intelligenz besäßen, um einem Prozess folgen zu können, sollten die Siedler die Gerichte nicht mit Klagen behelligen, sondern die Eingeborenen, die gegen die Gesetze verstießen, selbst stellen und ihnen »die Strafe auferlegen, die sie verdienten«. Eine offenere Aufforderung zum Genozid findet man nirgendwo sonst in der englischen Justizgeschichte. Fünfzehn Jahre später bevollmächtigte unser alter Freund Lachlan Macquarie Soldaten in der Region Hawkesbury, alle Gruppen von Ureinwohnern zu erschießen, die die Zahl sechs überschritten, auch wenn sie unbewaffnet waren und nichts Böses im Schilde führten, selbst wenn Frauen und Kinder dabei waren. Unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit teilte man vergiftetes Essen an die Aborigines aus. Pilger zitierten einen Regierungsbericht aus Queensland aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts:
    » Die Nigger (bekamen) ... etwas wirklich Unglaubliches, damit sie ruhig wurden . die Essensportionen enthielten eine gepfefferte Dosis Strychnin, und nicht einer von dem Gesindel entkam lebend. « Mit » Gesindel « waren etwa hundert unbewaffnete M ä nner, Frauen und Kinder gemeint.
    Trotz alledem ist es beinahe ein Wunder, dass die Einheimischen nicht in noch gr öß eren Mengen abgeschlachtet wurden. Man sch ä tzt, dass die Zahl der in den ersten einhundertundf ü nfzig Jahren der britischen Herrschaft absichtlich von Wei ß en Ermordeten insgesamt etwa zwanzigtausend betr ä gt (einschlie ß lich derjenigen, die in Notwehrsituationen, kriegerischen Auseinandersetzungen sowie anderen, ein wenig eher gerechtfertigten Umst ä nden umkamen). Gewiss eine traurige Zahl, doch viel weniger als ein Zehntel der Aborigines, die an Krankheiten starben.
    Das hei ß t nicht, dass Gewalt nicht willk ü rlich angewandt wurde und weit verbreitet war. Im Gegenteil. Im Juni 1839 brachen zum Beispiel ein Dutzend M ä nner auf Pferden von der Farm eines Henry Dangar auf, um die Leute zu suchen, die ihnen ein paar Rinder gestohlen oder weggetrieben hatten. Am Myall Creek trafen sie zuf ä llig auf ein Lager von Aborigines, die bei den wei ß en Siedlern des Gebiets als friedlich und nicht aggressiv bekannt waren. Jedenfalls hatten sie nichts mit dem geklauten Vieh zu tun. Trotzdem nahm man sie gefangen, fesselte sie in einer Art gro ß em Ball zusammen - achtundzwanzig M ä nner, Frauen und Kinder -, f ü hrte sie, unschl ü ssig, was man mit ihnen anstellen wollte, ein paar Stunden lang quer ü ber Land und massakrierte sie dann urpl ö tzlich und gnadenlos mit Gewehren und Schwertern.
    Bei normalem Verlauf der Dinge w ä re die Sache damit erledigt gewesen. Doch 1838 begann sich die Stimmung zu ver ä ndern. Die Gesellschaft wurde zunehmend st ä dtisch, und die Stadtbewohner verhehlten ihren Abscheu f ü r das willk ü rliche Hinmetzeln unschuldiger Menschen keineswegs. Als Edward Smith Hall, ein ü beraus engagierter Journalist aus Sydney, von der Geschichte erfuhr und nach Blut und Gerechtigkeit schrie, befahl der Gouverneur George Gipps, die T ä ter aufzusp ü ren und vor Gericht zu bringen. Zwei der Festgenommenen protestierten allen Ernstes mit dem Argument, sie h ä tten nicht gewusst, dass das T ö ten von Aborigines gegen das Gesetz verstie ß .
    Trotz vernichtender Beweise brauchte bei dem folgenden Prozess das Gericht gerade mal f ü nfzehn Minuten, um die Angeklagten freizusprechen. Doch Hall, Gipps und die st ä dtische Ö ffentlichkeit gaben keine Ruhe, und es wurde ein zweiter Prozess anberaumt. Dieses Mal befand man sieben Angeklagte f ü r schuldig, und sie wurden geh ä ngt. Zum ersten Mal wurden Wei ß e wegen Mordes an Aborigines mit dem Tode bestraft.
    Wobei das Urteil von Myall Creek dem Abschlachten von Ureinwohnern nat ü rlich kein Ende setzte. Jetzt geschah es eben heimlich. Fast hundert Jahre ging es sporadisch weiter. Zuletzt 1928 in der N ä he des heutigen Alice Springs, als Fred Brooks, ein wei ß er Dingoj ä ger, unter ungekl ä rten Umst ä nden ermordet wurde und mindestens siebzehn, vielleicht aber auch bis zu siebzig Ureinwohner als Vergeltung von berittener Polizei gejagt und umgebracht wurden und ein Richter die Polizeiaktion f ü r rechtm äß ig erkl ä rte. Trotzdem markierte Myall Creek eine entscheidende Wende. Der Fall wird heute zumindest auch in den meisten Geschichtsb ü chern erw ä hnt. Ich hatte allerdings noch nie jemanden getroffen, der

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