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Frühstück mit Kängurus

Titel: Frühstück mit Kängurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill - Bryson
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Hancocks Residenz zu kommen, dass sie mich aber in Wirklichkeit nicht die Bohne interessierte. Nachdem ich diese Erkenntnis verarbeitet hatte, drehte ich mich mit tiefsinniger Miene um und setzte meinen langen Marsch zum Meer fort.
    Fremantle war in Goldrauschzeiten ein lebensspr ü hender, kosmopolitischer Hafen, doch dann begann eine lange Phase des Verfalls. Erst als in den Siebzigerjahren die Leute das kommerzielle Potenzial seiner vielen heruntergekommenen viktorianischen H ä user begriffen, erstand es wie Phoenix aus der Asche und ist heute ein beliebter Treffpunkt, wo man Milchkaffee trinkt und Pasta isst und in kleinen Boutiquen k ü nstlerisch wertvollen Kram ersteht. Alle m ö gen Freo. Ich normalerweise auch, doch an dem Tag hielt sich meine Begeisterung in Grenzen. Der Nachmittag war unangenehm warm, von der lindernden Ozeanbrise, genannt Fremantle Doctor (nat ü rlich, weil es einem davon besser geht), konnte keine Rede sein. Ich war so viel gelaufen, dass meine F üß e qualmten, und sah nun, dass ich immer noch gut vier Meilen hinter mich bringen musste, fast alle ü ber den belebten, reizlosen, unbarmherzig schattenlosen Stirling Highway.
    Als ich das Zentrum Fremantles endlich mit h ä ngender Zunge erreichte, war es sp ä ter Nachmittag und ich vollkommen groggy. Ich ging in eine Kneipe und kippte mir aus medizinischen Gr ü nden ein Bier hinter die Binde.
    » Alles in Ordnung mit Ihnen? « , fragte die Kellnerin.
    » Ja « , erwiderte ich. » Warum? «
    » Haben Sie Ihr Gesicht gesehen? «
    Ich wusste sofort Bescheid. » Sonnenbrand? « , fragte ich kl ä glich.
    Sie nickte mitf ü hlend, aber auch am ü siert.
    Ich warf an ihr vorbei einen Blick in den Spiegel hinter dem Tresen. Und wer schaute mich an und trug auch noch, um mich zu foppen, dieselbe Kleidung wie ich? Eine Comicfigur namens Tomatenkopf. Ich gestattete mir einen kleinen Seufzer. Eins war klar: Die n ä chsten vier Tage w ü rde ich Quelle gro ß er Besorgnis f ü r ä ltere Westaustralier und gro ß er Belustigung f ü r alle anderen sein; w ä hrend weiterer drei w ü rde sich meine Haut schuppen und sch ä len und ich aussehen wie jemand, der gerade aus der Leprastation entwichen ist, und die Reaktionen w ü rden in allgemeines Entsetzen und Ekel umschlagen: Kellnerinnen w ü rden ihre Tabletts fallen lassen; Gaffer gegen Laternenpf ä hle laufen, Krankenwagenfahrer langsamer fahren und mich genau ins Visier nehmen. Wie immer w ü rde ich still vor mich hinleiden m ü ssen. In drei, vier Stunden kamen empfindliche Schmerzen. Dabei war ich ohnehin schon ein mittleres Wrack. Meine F üß e und Beine taten mir so weh, dass ich bezweifelte, ob sie mir ü berhaupt noch jemals zu Diensten sein w ü rden. Ich war schmutzig wie ein Stra ß enjunge und stank, als m ü sste man mich begraben. Und das alles nur, weil ich ein Haus hatte sehen wollen, das mich im Grunde gar nicht interessierte, und dann zu einem Ort gelaufen war, den zu erkunden ich nun zu m ü de war.
    Aber das war mir alles egal. Und wissen Sie, warum? Weil ich ein Kloakentier gesehen hatte. Das Leben konnte mir nichts mehr anhaben, die Freude konnte es mir nicht mehr nehmen. Von diesem Gedanken aufrechterhalten, trank ich mein Bier aus, glitt ganz, ganz vorsichtig vom Barhocker und humpelte durch die starrenden Massen, um ein Taxi zu suchen, das mich zur ü ck nach Perth brachte.
    Am n ä chsten Morgen besorgte ich mir einen Mietwagen und startete zur vorletzten meiner australischen Fahrten, zu den gro ß en Jarrah- und Karriw ä ldern in der s ü dwestlichsten Ecke Australiens. Wenn Ihnen das ein wenig langweilig klingt, lassen Sie sich gesagt sein, dass die Karris und Jarrahs ganz au ß ergew ö hnliche B ä ume sind. Sie sind f ü r die Baumwelt Australiens das, was der Riesenwurm Gippslands f ü r die Wirbellosen ist: gro ß , untersch ä tzt und mysteri ö serweise nur in einem kleinen Gebiet vorkommend, eben im S ü dwesten Western Australias, unterhalb von Perth. Karris sind die Mammutb ä ume des f ü nften Kontinents. Sie erreichen H ö hen von ü ber achtzig Metern, doch ihr erstaunlicher Umfang - bis zu f ü nfzehn Metern - nimmt auf dem langen Weg nach oben kaum ab und verleiht ihnen das Majest ä tische. Denken Sie an die m ä chtigste Platane, verdreifachen Sie sie in jeder Richtung, und Sie haben mehr oder weniger einen Karri.
    Die charakteristische Baumart der Region ist jedoch der sch ö ne, noble Jarrah, nicht ganz so massiv wie der Karri, doch riesig und

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