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Fruehstueck mit Proust

Fruehstueck mit Proust

Titel: Fruehstueck mit Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédérique Deghelt
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wiederholt: Sind Sie sicher, Albert, dass wir eine ganze Woche … Als wolle sie Jade nach ihrer Meinung fragen, die ermutigend lächelte. Zum ersten Mal in ihrem Leben nahm Jade an ihrer Großmutter so etwas wie Koketterie wahr, die sie eilig herunterspielte, indem sie irgendeinen Stoff für seine Qualität oder seine Wärme rühmte.
    Mochte Jade sich auch immer wieder fragen, wie Mamoune und sie es anstellen sollten, die Wünsche ihrer vor Freude jauchzenden Herzen zu erfüllen, sie wusste es nicht. Eins aber wusste sie, dass ihre um ein halbes Jahrhundert versetzten, doch parallel erlebten Liebesgeschichten die Verbundenheit zwischen ihnen besiegelten.
    »In meinem Alter«, vertraute sie ihr an, als sie schließlich den Koffer zuklappte, »hat man bei jedem Fortgehen das Gefühl, dass man nicht wiederkehren wird.« Sie rieb sich die Augen und überlegte, was sie wohl vergessen haben könnte. Zum Abschied drückte Mamoune Jade an ihr Herz und flüsterte ihr zu: »Da stehen wir nun mit unseren Liebesgeschichten, du, die zukünftige Alte, und ich, die Exjunge!« Und als Jade Mamounes weiche Wange küsste, schloss sie die Augen, um ihren Duft von Veilchen und Rosen stärker wahrzunehmen.
     
    Es war seit langem das erste Mal, dass Jade allein in ihrer Wohnung war. Sie hatte sich an Mamounes sanfte Anwesenheit so sehr gewöhnt, dass sie, als sie sich an diesem Morgen in den Sessel lümmelte, in dem Mamoune für gewöhnlich saß, diesen Duft vermisste. Sie genoss die Einsamkeit, auf die sie sich nach der Nacht mit Rajiv gefreut hatte, streifte durch die Wohnung, die nun ihnen beiden gehörte, und suchte nach Spuren ihrer Großmutter.
    Sorgfältig goss sie ihre Pflanzen, probierte ihren Kuchen, warf einen Blick in ihr Zimmer, mit der Ausrede, ihre Jacke dort aufzuhängen. Jade hatte inzwischen ein ganz neues Bild von Mamoune … Um sie zum Lachen zu bringen, hatte sie eines Abends zu ihr gesagt: »Ich kannte Mamoune, und jetzt habe ich auch noch Jeanne kennengelernt.« Und diese Jeanne war für sie weit mehr als ihre Großmutter geworden. Sie bewunderte diese Frau für ihre Geschichte, ihre Lektüren, ihre Lieben und ihre verborgene Intensität, die sie tief berührte. Die Begegnung mit Jeanne hatte sie aus der Liebe, die sie Mamoune als Enkelin entgegenbrachte, entlassen, ohne ihrden besten Teil zu nehmen, den der Kindheitserinnerung. Dieses Geschenk war von unschätzbarem Wert. Jade dachte an Mamoune und ihren achtzigjährigen Geliebten, der ihr das Meer zeigen würde, und sie musste zugeben, dass sie ein bisschen neidisch war, nicht dabei sein zu können, wenn sie über seinen Anblick in Verzückung geraten würde. Auf dem Tisch hatte Mamoune eine letzte Bemerkung zu Jades Manuskript dagelassen.
    Im Leben mag man sich damit begnügen, nur die Gischt zu sehen, ohne je in die Tiefen hinabzutauchen, die die Woge an der Oberfläche hervorbringen: Ein richtiges Buch aber lässt einem keine Wahl: Es ist in einem Zuge das Schwimmen an der Oberfläche, das Hinabtauchen in große Tiefen, es ist Schatten und Licht im Wechsel, bis zur Atemlosigkeit.
    Jade fragte sich einen Augenblick lang, ob nicht ihre Großmutter diejenige war, die hätte schreiben sollen.

Mamoune
    D as Gefühl, es eilig zu haben, ist anstrengend. Wie gern würde ich wieder leben wie früher, als ich wusste oder jedenfalls annahm, dass ich noch Zeit hätte, und mir vor allem die Frage gar nicht stellte. Aber hatte ich dieses Gefühl nicht immer, schon während des Krieges, dann, als ich Jean kennenlernte, und später bei der Geburt meiner Kinder? Ich hatte Angst, ihnen könnte etwas zustoßen, etwas Unwiderrufliches könnte uns voneinander trennen. Wenn man dieser ständigen Angst müde wird, stellt sich schließlich ein gewisser Fatalismus ein. Und doch hindert einen diese dauernde Besorgnis nicht, sich des Lebens zu freuen, im Gegenteil, sie verstärkt diese Fähigkeit sogar. Alles wird zu einem Wunder, einem Überleben, zu gewonnenen Punkten; und zwischen den Tragödien, denen wir um Haaresbreite entgehen, vergehen unbemerkt die Jahre. Und selbst wenn der Körper uns quält, ist die Freude, zu handeln und zu sein, immer noch größer.
    In diesem Moment, in dem Zug, der Albert und mich in den Süden fährt, bin ich, glaube ich, ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt. Jünger als Jade … Dieser Gedanke lässt mich schmunzeln. Die Kleine ist so großzügig. Ich wünsche ihr so viel Glück. Ich hoffe, sie wird einmal zu der Frau, die sich schon in ihr

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