Frühstück um sechs
Anscheinend hatte der
Arzt, der Mrs. Jolson gut kannte, ihr erklärt, daß sie sich wohler fühlen
würde, wenn sie für ein Kind zu sorgen hätte; dadurch war schließlich auch
Albert, ihr Mann, der sich bisher gesträubt hatte, überzeugt worden.
»Und
wo wollen Sie eins finden?« fragte Mrs. Archer zweifelnd, ungefähr als ginge es
darum, ein wildes Tier für den Zoo einzufangen.
Damit
kamen wir zum aufregenden Teil der Geschichte. Der Arzt hatte sie zu seiner
Schwester geschickt, einer Ärztin, die gern Adoptionen förderte.
»Und
Dr. Margaret meint — ist eigentlich frech, daß ich sie so nenne, aber es heißt,
daß jeder sie mit dem Vornamen anredet-, also sie sagt, sie wüßte genau das
richtige Baby für mich. Ein kleines Mädchen, drei Monate alt. Mehr weiß ich
nicht. Albert macht die Sache perfekt. Ich möchte gar nicht wissen, wer die
Eltern des Kindes waren. Mir genügt, daß es uns gehört, wenn es erst da ist.«
Es
war eine Freude, ihr glückliches Gesicht zu sehen, aber ich zweifelte, ob sie
gesundheitlich die Kinderpflege aushalten konnte. »Wird es ihr nicht zuviel
werden?« fragte ich Mrs. Archer auf dem Heimweg.
»Für
ein Kind sorgen ist keiner Frau zuviel. Leise Zweifel habe ich allerdings
auch.« Da sie bei diesen Worten den Mund so sarkastisch verzog, fragte ich
zaghaft, ob sie Mrs. Jolsons Schritt nicht für gut hielte.
»Gut
für das Baby, gewiß. Sie hat sich ja so nach einem gesehnt, daß wir das Kind
wohl glücklich preisen können. Und trotzdem gefällt mir die Sache nicht — für
Mrs. Jolson nicht. Man weiß ja doch nie, welche Eigenschaften ein adoptiertes
Kind entwickelt. Vielleicht Trunksucht oder kriminelle Neigungen. Sicher
bekommt sie doch eins von den sogenannten illegitimen.«
Ich
erwiderte heiter, das sei ja wohl so gut wie sicher, aber diese Kinder seien
oft die nettesten. Und die Vererbung? Nun, was das beträfe, so wisse man ja
auch bei den eigenen Kindern nie, wie sie später würden. Jeder von uns hätte
doch auch den oder jenen absonderlichen Verwandten. Ich erzählte ihr von meinem
Großonkel Peter, der so viel Geld hatte, daß ihm die Leute nicht übelnahmen,
wenn er bellte wie ein Hund, und von Mutters Kusine Anny, die immer wartete,
bis die Gäste im Hause schliefen und sich dann in ihre Zimmer schlich, um die
falschen Gebisse aus den Wassergläsern auf ihren Nachtschränkchen zu entwenden.
Meine
Schilderungen heiterten Mrs. Archer sehr auf, sie erinnerte sich eines Onkels,
der alles zu trinken pflegte, was ihm in die Finger kam, sogar Methylalkohol,
und eines Vetters, der bei jeder Gelegenheit wettete und einmal fünf Pfund auf
eine Fliege verlor, weil sie langsamer als ihre Konkurrentin über eine
Fensterscheibe krabbelte. Er beschloß sein Leben in einer kleinen Strandhütte,
wo er Seetang und leere Flaschen sammelte. Allmählich kamen wir in so
ausgelassene Stimmung, daß wir uns einigten, Mrs. Jolson künftiges Baby werde
sich genauso zufriedenstellend entwickeln wie alle übrigen kleinen Kinder.
»Wie
Sie ganz richtig sagten, meine Liebe, ist alles ein Glücksspiel, und ich
glaube, wir können froh sein, daß unsere Kinder uns nicht plötzlich mal nachts
über den Schädel hauen«, erklärte sie vergnügt. Doch als wir uns trennten,
flüsterte sie zischend: »Hauptsache, es ist kein dunkles!«
Als
ich verwundert fragte, warum sie so für Blondinen sei, erklärte sie mit
gedämpfter Stimme, daß sie die dunkle Hautfarbe von Mischlingen meinte. »Und es
ist sehr schwer, das schon beim Baby zu erkennen«, fügte sie düster hinzu,
»höchstens an den Augen.«
Woraus
ersichtlich wurde, daß Mrs. Archer ein Vorurteil gegen Mischehen hatte. Ich war
überzeugt, sie würde sofort, wenn Mrs. Jolson das Baby mal allein im Zimmer
ließ, die Augenlider des unglücklichen Wesens hochdrücken, um nach der
bläulichen Färbung zu forschen, die laut ihren Erklärungen ein sicheres Zeichen
für >Mischmasch< war.
Das
alles fand ich sehr interessant, während Larry sich dabei langweilte.
»Die
Vorstellung allein, daß jemand ganz kaltblütig ein Kind annimmt! Schon schlimm,
wenn man ein eigenes hat. Die ewige Windelwickelei und die dauernden
Übelkeiten...«
Ich
fragte sanft, wem denn übel werde, ihr oder dem Baby?
»Mir
vorher und ihm hinterher«, erwiderte sie mit ihrem üblichen Mangel an Logik.
»Arme Mrs. Jolson! Ich hätte ihr ein junges Hündchen gekauft, wenn ich gewußt
hätte, daß sie sich so einsam fühlte. Der Mann, von dem ich meinen Spaniel
habe,
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