Frühstück um sechs
gesagt, kann Paul mich wundervoll trösten, selbst wenn er insgeheim vielleicht denkt, ich stellte mich wegen Kleinigkeiten zu sehr an.
Um mein albernes Babyheulen wieder gutzumachen, setzte ich mich an die Arbeit, schrieb ein paar Skizzen und war nachher wirklich überrascht, als eine von einer Wochenzeitung angenommen wurde. Ich fand sie recht schwach, doch Paul, der mich um jeden Preis wieder aufheitern wollte, behauptete, sie sei >gar nicht so übel<. Mehr zu loben vermochte er sie freilich nicht. Ich glaube aber, er war froh, keine Porträts aus unserem engsten Kreise zu finden, denn unmöglich konnte er sein Konterfei in dem eleganten Jüngling entdecken, der zur Jagd ging, Polo spielte und tanzte und in seiner Freizeit eine geradezu lachhafte Farmwirtschaft betrieb. Immerhin brachte mir die Skizze zwei Pfund ein und war eine gute Übung.
Mitte Oktober hatte ich ein reizendes kleines Erlebnis mit Miss Elizabeth Jolson, die jetzt neun Monate alt und einfach goldig war.
Zufällig war ich an dem Nachmittag bei Mrs. Jolson zu Besuch, als ein Telegramm kam, daß ihre alte Mutter im Sterben läge und nach ihr verlangte. Es regte sie schrecklich auf.
»Eigentlich habe ich das ja erwarten müssen«, sagte sie. »Mutter ist fast achtzig und schon lange kränklich. Aber was soll ich inzwischen mit meinem Baby anfangen? Mutter hat nämlich nur zwei Zimmer in einem Miethaus.«
»Dahin können Sie Elizabeth nicht mitnehmen. Lassen Sie sie doch bei mir.«
Sie erschrak förmlich. »Ach, das ist ja rührend von Ihnen! Aber selbstverständlich kann ich es nicht annehmen. Ich denke...«
»Denken Sie nicht, liebe Mrs. Jolson. Packen Sie einfach Elizabeths Zeug ein, ich werde sie dann mitsamt dem Kinderbett hinten im Wagen transportieren. Das wird mir ja so viel Freude machen!«
»Aber mute ich Ihnen denn damit nicht zuviel zu, liebe Mrs. Russell? Ein Baby macht doch sehr viel Mühe, und Sie haben mit Babys noch nichts zu tun gehabt und...«
»Immerhin habe ich schon viele kleine Kusinen und Kinder von Bekannten betreut. Und Elizabeth hat mich gern, das wissen Sie ja.«
»O ja, wohlfühlen würde sie sich bei Ihnen, und bei niemand würde ich sie lieber lassen, doch was wird Ihr Mann dazu sagen? Männer mit den Babys anderer Leute belasten, das geht doch nicht.«
»Paul wird mächtigen Spaß an dem Kind haben«, sagte ich, zuversichtlicher als mir zumute war. »Nun aber kein Wort mehr, ja? Nur sagen Sie mir noch, während Sie das Zeug zusammenpacken, wann das Kind die Flasche kriegen muß und wann Gemüse und so weiter. Wenn Sie morgen schon früh aufbrechen müssen, ist es doch viel besser, ich nehme das Kind heute abend schon mit.«
So traf ich gegen Abend mit Elizabeth in ihrem Bettchen zu Hause ein. Paul kam wie immer an den Wagen, um mich zu begrüßen, und gerade als ich anhielt, gab das Kind einen krähenden Freudenschrei von sich. Paul sagte duldsam: »Na, was bringst du denn jetzt mit? Einen Hahn?«
»Nein. Ein Baby.«
»Was?« rief er ganz entsetzt und lugte vorsichtig durchs Wagenfenster. Elizabeth, die ihn bemerkte, lachte glucksend. Jäh zog er den Kopf zurück, als habe ihn etwas gestochen.
Ich kicherte, sagte aber nichts, während er mit offenem Mund dastand. Zu gern hätte ich ihn weiter in der Ungewißheit gelassen, wies jedoch edelmütig die Versuchung von mir und sprang aus dem Wagen. »Es ist Elizabeth Jolson«, sagte ich, »die behalte ich für vierzehn Tage hier, weil Mrs. Jolsons Mutter im Sterben liegt, und sie zu ihr fahren muß.«
Ein gewaltiger Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm, und ich sah, wie er sich verstohlen die Stirn wischte, während er lachend sagte: »Komm, laß mich das Kinderbett ‘rausnehmen. Du hast mir einen schönen Schrecken eingejagt, du kleine Teufelin! Dachte schon du hättest unseren Fünfjahresplan ganz vergessen.«
»Aber Liebster, hattest du tatsächlich geglaubt, ich hätte irgend, wo am Wege ein Baby aufgelesen, wie man Pilze sammelt? Doch nun sag, wird uns das Kind nicht Spaß machen?«
»Das möchte ich noch nicht behaupten. Werden mal bis heute nacht abwarten.«
Es machte aber wirklich Spaß, ich genoß jede Minute — sogar als Elizabeth in der ersten Nacht um zwei Uhr wach wurde und bitterlich zu weinen anfing, weil sie sich noch fremd und einsam fühlte. In weiser Voraussicht hatte ich das Feuer im Kamin nicht ausgehen lassen. Ich schürte es wieder, nahm das Kind auf den Schoß, wo es sich gleich still ankuschelte und träumerisch in die
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