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Frühstückspension: Kriminalroman

Frühstückspension: Kriminalroman

Titel: Frühstückspension: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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machen.«
    Er unterbricht sich wieder durch ein Räuspern. Warum hustet er nicht anständig? Dieses Hüsteln klingt künstlich und macht mich nervös.
    »Um es ganz klar zu formulieren: Ihr Mann ist hirntot, und an diesem Zustand wird sich mit Sicherheit nichts mehr ändern.«
    Sie werden die künstliche Beatmung ausstellen, schießt es mir durch den Kopf. Er wird sterben. Dann wird die Wahrheit an den Tag kommen. Für jede Erklärung von mir wird es zu spät sein. Weder dieser Oberarzt noch irgendein anderer vom Klinikpersonal wird Verständnis für mich haben. Ich habe sie hintergangen. Schwester Maike, diese klare, junge Frau, wird sich enttäuscht von mir abwenden. Wieso habe ich es nur so weit kommen lassen? Warum reagiere ich immer so langsam? Gegen meinen Willen schießen mir Tränen in die Augen.
    Doktor Werner kommt um seinen Schreibtisch herum und legt mir seine Hand auf die Schulter. Diese routiniert freundliche Geste gibt mir den Rest, und ich fange an zu weinen.
    »Geben Sie mir noch zwei Tage«, flehe ich und es klingt, als bitte ich darum, meine eigene Hinrichtung aufzuschieben.
    »Ich möchte mich noch in Ruhe verabschieden«, schluchze ich, und er reicht mir ein Papiertaschentuch.
    »Auf jeden Fall. Selbstverständlich.«
    Seine Stimme klingt ein wenig erleichtert, weil er mir einen Gefallen tun kann.
    »Ich bitte Sie, Frau Garbers, machen Sie sich keine Vorwürfe. An dem Unfall sind Sie nicht schuld, und er hat den Tod nur beschleunigt. Ihr Mann wäre sehr bald an den Folgen seiner Leberzirrhose gestorben.«
    Leise fügt er hinzu:
    »Ich hatte Ihnen schon erklärt, dass die Leber und andere Organe bei Ihrem Mann sehr vorgeschädigt sind. Sie brauchen nicht zu antworten, aber Ihr Mann war Alkoholiker, nicht wahr?«
    Seine Stimme hat einen mitfühlenden, warmen Klang. Wahrscheinlich stellt er sich meine Vergangenheit nicht gerade rosig vor. Ich schnäuze heftig in das Taschentuch und schüttele den Kopf.
    Hinter meinen Tränen sehe ich, dass er mir nicht glaubt. Aber er macht keinen Versuch, mir zu widersprechen. Anscheinend ist es nicht mehr wichtig.
    Reinhard und Alkohol. Schon gar nicht regelmäßig. Er ist viel zu kontrolliert, um abhängig zu werden.
    Ich hätte nichts dagegen gehabt zu sagen: Ja, er hat leider viel zu viel getrunken.
    Aber das hat er nicht.
    Niemals.
     

5
    Zwei Tage. Ich bleibe in der kleinen Nische stehen und lehne mich erschöpft gegen die Wand. Nur für einen Augenblick ausruhen. Dabei weiß ich längst, ich kann mich nicht länger verstecken. Nicht wieder an seinem Bett sitzen, ihm irgendwelche Geschichten erzählen und denken: Zwei Tage.
    Ich muss zurück nach Hannover. Morgen, spreche ich mir Mut zu. Morgen werde ich …
    »Was willst du noch von mir?«
    Die Männerstimme unterbricht meine Gedanken. Sie ist voll kalter Wut und trifft mich wie ein unerwarteter Faustschlag. Ich halte schützend die Hände vor meinen Bauch. Er schmerzt, als wäre er wirklich getroffen worden.
    Ich presse mich fester gegen die Wand. Als könnte ich in sie hineinkriechen. Weglaufen, denke ich. Aber wo soll ich hin? Zurück ins Oberarztzimmer?
    Mach dich nicht lächerlich, Teresa. Der Mann hat nicht dich gemeint. Du kennst ihn gar nicht. Niemand kennt dich hier.
    Ich atme langsam und tief, um mich zu beruhigen. Aber mein Körper fährt nur zögernd seine Alarmbereitschaft wieder herunter. Es dauert, bis ich einen Schritt nach vorn wage und um die Ecke spähe. Neben dem Fahrstuhl steht ein Mann. Er ist jung. Vielleicht Anfang 30. Seine Gesichtszüge sind vor Wut entstellt. Auf seiner Stirn quillt eine hässliche Ader hervor. Und doch kann ich auch jetzt sehen, dass er ein sehr attraktiver Mann ist.
    Vor ihm steht eine blonde Frau. Sie wendet mir den Rücken zu. Ihre Schultern sind nach vorn gebeugt. Ihr Kopf gesenkt. Sie trägt die grüne Dienstkleidung der Intensivstation. Erst jetzt erkenne ich sie: Schwester Maike!
    »Anscheinend begreifst du es nur auf die harte Tour!«, schnauzt der Mann sie weiter an. Seine Augen fixieren Maike dabei derart böse, dass sich meine Furcht von einer Sekunde auf die andere in maßlose Empörung verwandelt.
    Mit einem beherzten Schritt trete ich aus meiner Deckung hervor. Aufgeschreckt sieht er hoch. Als hätte er vergessen, dass er sich auf einem Krankenhausflur befindet. Um seine Lippen spielt ein kleines, zorniges Lächeln:
    »Eine Szene in der Öffentlichkeit. Das ist genau, was du willst, nicht wahr?«, zischt er ihr zu, ohne mich weiter zu

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