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Frühstückspension: Kriminalroman

Frühstückspension: Kriminalroman

Titel: Frühstückspension: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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ein wenig.
    »Jedenfalls hatten wir nach Sandra noch Sex«, lache ich leichthin und spüre, wie ich erröte. Ich sollte mich auf das Fahren konzentrieren, sonst rede ich noch mehr Unsinn.
    Tomke quittiert meine Bemerkung nicht, wie angenommen, mit einem wohlwollenden Grinsen. Sie dreht sich zum Fenster und sieht mich nicht mehr an.
    »Schön für euch. Dann war ja alles perfekt«, sagt sie. Es klingt ungeniert zickig.
    Anscheinend habe ich wieder einen wunden Punkt getroffen. Mit ihrem Gerold scheint sie nicht besonders glücklich zu sein. Glücklich. Verband sie Glücklichsein mit Sex?
    Der war das einzig wirklich Gute zwischen mir und Reinhard.
    Ja, wir hatten guten Sex. Sehr guten. Wir waren beim Sex einander zugewandt und nah, und ich habe es lange für den Gradmesser unserer Liebe gehalten. Bis vor zwei Jahren. Seitdem kann ich gutem Beischlaf nicht mehr vertrauen.
    »Du stufst Sex ganz schön hoch ein«, hake ich vorsichtig nach.
    »Was heißt hoch einstufen?«, grollt Tomke. »Ich bin halt immer neidisch, wenn ich höre, dass in anderen Schlafzimmern noch was los ist.«
    Sie atmet tief durch.
    »Dabei sollte ich auf das Gerede nicht hören. Wer gibt schon zu, dass er miesen Sex hat oder gar keinen.«
    Jetzt grinst sie endlich.
    »Musst mich nicht ernst nehmen. Ich vergesse immer wieder, dass du zu deinem Mann fährst, und der ist schwer verletzt.«
    »Ich auch!«, rutscht mir heraus. »Ich vergesse es auch.«
    Sie sieht mich warm an.
    »Das ist sicher Verdrängung«, meint sie tröstend. »Mach dir keine Gedanken. Verdrängung ist manchmal wichtig, sonst würde man verrückt.«
    Vor uns liegt Wilhelmshaven. Die Fahrt nähert sich viel zu schnell dem Ende.
    »Ich vermisse Reinhard nicht besonders. Eigentlich gar nicht.«
    Ich höre meinen Worten hinterher, als hätte eine Fremde sie gesagt.
    Tomke sieht weiter geradeaus, als hätte sie mich nicht verstanden.
    »Nein, ich vermisse ihn nicht«, wiederhole ich mit fester Stimme. »Dabei habe ich lange geglaubt, dass ich ohne ihn nicht leben kann.«
    In mir ist eine Schleuse geöffnet, und nun wird ein neuer Gedanke nach dem anderen hinterhergeschoben.
    »Ich werde mich scheiden lassen«, sage ich ruhig und klar, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt.
    »Ich werde mich scheiden lassen«, sage ich noch einmal mit Nachdruck, und der Satz erscheint mir wie eine Offenbarung.
    »Auch nicht gerade das perfekte Timing«, meint Tomke trocken.
    »Nein«, gebe ich zu, ohne mich angegriffen zu fühlen.
    »Das ist absolut nicht perfekt.«
    »Wolltest du ihm das vor dem Unfall sagen?«, fragt Tomke mitfühlend.
    »Nein, ich weiß es erst seit zwei Minuten.«
    Tomke runzelt die Stirn, aber schweigt. Wahrscheinlich hält sie mich für völlig durchgeknallt, aber ich war lange nicht so klar wie in diesem Augenblick.
    »Reinhard und ich, das ist schwer zu beschreiben. Zwischen uns war Stille. Mag sein, dass wir noch nie gut miteinander reden konnten. Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet. Das Einzige, was zwischen uns geklappt hat, war Sex. Darauf brauchst du nicht neidisch zu sein.«
    Ich spüre, wie ich wieder rot werde.
    »Doch«, widerspricht sie ganz ruhig.
    »Doch, das bin ich. Sex ist das Einzige, was zwischen Gerold und mir nicht geklappt hat. Von Anfang an nicht.«
     

4
    Tomke beugt sich zu mir herüber und stößt sanft mit ihrer Schulter an meine. »Bis dann. Wir treffen uns später im Café!«
    Ich kann nur schüchtern nicken. Später im Café, denke ich und fühle mich für einen Augenblick sehr jung.
    Schon eilt sie über die Straße. Der Wind greift nach ihrem riesigen Kragen und stülpt ihn hoch.
    Während ich den Wagen wende, sehe ich mit einem letzten Blick, wie sie in einem Geschäft verschwindet. Es ist ein Beerdigungsinstitut. Ich fahre weiter und denke nicht darüber nach.
    Scheiden lassen. Ich werde mich von Reinhard scheiden lassen. Ich spreche die Worte leise und lasse sie wie eine edle Schokolade auf der Zunge zergehen. Scheiden lassen. Ein völlig neuer, nie gewagter Gedanke und dabei so ausgereift, als hätte ich ihn jahrelang durchdacht.
     
    Ich parke vor dem Krankenhaus. Beim Aussteigen reißt mir der Wind die Tür aus der Hand. Das passt zu meinen Gefühlen.
    Meine Schritte sind beschwingt, als ich durch die Eingangstür gehe. Die Frau hinter der Glasscheibe lächelt mir zu. Ich lächele zurück. Oder bin ich diejenige, die zuerst gelächelt hat?
    Erst vor der Intensivstation verpufft meine beschwingte Stimmung. Abrupt, als

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