Frühstückspension: Kriminalroman
zu. Einmal. Zweimal. Wann ist man tot? Dreimal.
Ich heule laut dabei. Viermal. Bis er wirklich still ist. Sich nicht mehr bewegt und ich endlich in seinen Augen Verwunderung sehe. Sie sind starr.
Ich lasse die Sektflasche los. Sie landet mit einem dumpfen Geräusch im Gras. Ich beachte sie nicht. Ohne ein Gefühl in mir wahrzunehmen, stehe ich einfach nur da. Bis meine Hand, die eben noch brutal zugeschlagen hat, sich ausstreckt, sanft über seine Augen fährt und die Lider herunterdrückt. Mit einer Sicherheit, als würde sie das jeden Tag tun. Ich lasse mich neben ihm ins Gras fallen. Ziehe die Knie an, stütze meinen Kopf auf und betrachte ihn. Das Blut gerinnt nicht. Es läuft wie aus einer unerschöpflichen Quelle über sein Gesicht. Sammelt sich auf seinen Schultern und durchtränkt sein Hemd. Das Bild beunruhigt mich nicht. Wie kann das sein? Warum wirkt er trotzdem so friedlich? Vielleicht ist es die Stille um uns herum.
Sie lässt mich atmen und ich kann endlich wieder das Meer hören. Gerade will ich lächeln, da gewinnt die Erkenntnis Raum: Du hast gerade deinen Mann umgebracht. Du sitzt neben seiner Leiche.
Im gleichen Augenblick spüre ich die Feuchtigkeit des Grases. Sie ist schon bis an meine Haut gedrungen. Wie lange sitze ich hier schon und starre ihn an?
Ich springe auf und taste mit den Augen die Dunkelheit ab, aber ich kann nichts Verdächtiges sehen. Wie gut, dass wir November haben. Ein lauer Sommerabend hätte den Deich mit Spaziergängern bevölkert. Sie hätten mich nicht davon abgehalten, das zu tun, was ich gerade getan habe – so etwas plant man nicht. Aber dann wäre mit Sicherheit schon die Polizei da.
Während ich das denke, erschrecke ich vor mir selbst. Wie kann ich mit der blutüberströmten Leiche vor Augen so kühlen Überlegungen nachgehen? Bin ich das? Oder ist das ein gesunder Überlebensinstinkt? Oder ist das der Anfang von geistiger Verwirrung?
Ich schüttele mich. Es ist vor allem nicht der richtige Zeitpunkt, sich solche Fragen zu stellen. Später. Ich schalte sie aus wie mein Gefühl. Dabei weiß ich nur eines sicher: Ich will nicht ins Gefängnis. Dann hätte ich auch bei Reinhard bleiben können.
Mechanisch wickele ich ihm meine Regenjacke um den Kopf, wuchte seinen Oberkörper zurück in den Sitz und schnalle ihn an. Dabei halte ich mein Gesicht so weit wie möglich von ihm entfernt. Schweiß sammelt sich auf meiner Stirn und bleibt an den Augenbrauen hängen. Bis er mir in schweren Tropfen über die Nase läuft und im Mund landet. Ich wische ihn nicht ab und schmecke das Salz.
Ich schließe die Seitentür und lehne mich für einen Augenblick erschöpft dagegen. Lasse den Wind über mein nasses Gesicht streichen, bis die Haut vom getrockneten Salz zu brennen beginnt. Meine Hände sind starr. Sie kleben. Blut. Sein Blut.
Ich hole mir die Mineralwasserflasche aus dem Kofferraum und lasse den Inhalt über meine Hände laufen. Der Eisengeruch bleibt. Das pelzige Gefühl an ihnen auch. Ich greife kurzentschlossen nach einer Flasche Bier von meinem vorsorglich gekauften Vorrat für einsame Zimmerabende. Sein herbes Aroma und das starke Prickeln der Kohlensäure tun mir gut.
Als ich neben ihm sitze, fühle ich mich so unwirklich wie nie zuvor. Das Motorgeräusch dringt in mein Bewusstsein. Den Gang einlegen und fahren. Der Deichweg ist schmal und holperig. Nur nicht zur Seite schauen. Einfach weiterfahren. Da erreicht mich ein Gedanke: Die Sektflasche! Sie liegt noch im Gras. Und seine Brieftasche? Wo ist die? Ich kann mich nicht erinnern, ob er sie noch aufgehoben und eingesteckt hat.
Das erste Haus taucht auf und der Weg wird breiter. Ich wende in der Einfahrt. Bitte lass niemanden herauskommen. Niemanden fragen, ob ich Hilfe brauche.
Wieder auf dem Weg zurück, scheint er plötzlich länger geworden zu sein. In mir steigt wieder Panik auf und zieht die Zeit unerträglich in die Länge. Endlich sehe ich die Birken. Wie gut, dass wir an so einem markanten Punkt gehalten haben. Ohne die Bäume hätte ich den Platz in der Dunkelheit nicht wiedergefunden.
Ich steige aus und brauche nicht lange zu suchen. Die Flasche liegt gut sichtbar im Kegel der Scheinwerfer. Und die Papiere?
Ich muss in seiner Brusttasche nachsehen. Ich kämpfe gegen aufkommenden Brechreiz. Die Zeit, ihn mit bloßen Händen anzufassen, ist vorbei. Es geht nicht mehr. Hektisch suche ich im Wagen und finde im Verbandskasten Handschuhe.
Mit spitzen Fingern ziehe ich sein Jackenrevers vor. Ich
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