Frühstückspension: Kriminalroman
bereue es sofort.
Sie widerspricht unerschüttert ruhig: »Doch, die ganze Nacht.«
Dann drückt sie mir die Teetasse in die Hand, und ich beginne, mechanisch zu trinken.
»Gut, dass du ihn hierher gebracht hast«, sagt Tomke. Es klingt wie ein Lob. Ich nicke, ohne zu verstehen, was daran gut sein soll. Aber Tomkes Stimme ist sanft wie ihr Streicheln und klingt wie ein Versprechen. Es ist gut, denke ich und beginne, mich in dem Gedanken zu verlieren. Da steht Tomke auf und sieht mich auffordernd an: »Schaffen wir ihn erst einmal ins Haus.«
»Ins Haus?«, meine Stimme ist ein hysterisches Kreischen. Ich kann es nicht verhindern.
»Was willst du mit ihm hier im Haus? Im Keller einmauern?«
»Nein«, antwortet Tomke gelassen.
»Dein Reinhard kommt in unser Familiengrab.«
»Jetzt bist du verrückt geworden.«
»Ganz und gar nicht«, widerspricht Tomke und setzt sich noch einmal neben mich.
»Wenn du vor einer Woche mit dieser Geschichte zu mir gekommen wärst, hätte ich dir ein starkes Beruhigungsmittel verpasst und nichts verstanden. Oder sofort die Polizei gerufen. Aber die Dinge ändern sich und die Ansichten auch. Mein Gerold ist auch seit einer Woche tot. Und er ist auch keines natürlichen Todes gestorben.«
»Du hast deinen Mann umgebracht?«, rekapituliere ich fassungslos.
Diese bodenständige Frau, zu der ich mich so vertrauensvoll hingezogen fühle, hat ihren Mann ermordet.
»Ja«, bestätigt Tomke leise und nimmt mir die leere Tasse ab. Sie schenkt noch einmal von dem würzigen Tee nach. »Ja, das habe ich.«
Sie reicht mir die Tasse und sieht mich ruhig an:
»Und wie war noch einmal die Todesursache bei deinem Mann?«
»Das war doch eher ein Unfall«, wehre ich erschrocken ab.
»Bei mir war es auch einer, weil alles völlig anders verlaufen ist als geplant.«
»Ich habe gar nichts geplant«, verteidige ich mich weiter und weiß, dass ich damit aufhören muss. Wir müssen zusammenhalten und nicht herausfinden, wer die Kaltblütigere von uns ist. Mord ist Mord und bleibt Mord.
»Du hast recht«, gebe ich leise zu.
»Ob geplant oder nicht, wir hatten wohl beide unsere Gründe. Und eine Geschichte, deren Anfang lange zurückliegt, und die anders hätte enden können. Enden sollen. Aber das haben wir nicht hingekriegt.«
Tomke sieht mich ernst an: » Ja, und wenn wir sie uns nicht im Gefängnis erzählen wollen, sollten wir rausgehen und deinen Mann reinholen.«
9
Der Wind hat zugenommen und fegt mir nasskalte Luft ins Gesicht. Ich bleibe fröstelnd stehen.
Warum müssen wir Reinhard überhaupt aus dem Wagen zerren? Allein die Vorstellung daran lässt mich noch mehr frieren und macht mir Angst. Am liebsten würde ich ihn samt Auto verschwinden lassen. Nie wieder etwas von ihm hören oder sehen. Als hätte es ihn nie gegeben. Naives Wunschdenken. Ich habe den Wagen gemietet. Das wäre ganz einfach zurückzuverfolgen. Davon abgesehen, verbinden mich 30 Jahre mit Reinhard. Zu viel Zeit von meinem Leben, um sie radikal zu verdrängen. Was bliebe dann noch übrig?
Ich gehe einen Schritt weiter, um gleich wieder stehen zu bleiben. Die Silhouette von Reinhard hat etwas Lebendiges.
»Es gibt doch sicher andere Möglichkeiten. Wir sind am Meer. Warum denn unbedingt ins Haus?«
Ich drehe mich um, und Tomke läuft gegen meine Brust. So dicht hinter mir habe ich sie nicht vermutet.
»Weil uns beiden damit geholfen ist«, antwortet sie ernst und hält mich für einen Augenblick in den Armen. Uns beiden geholfen, denke ich. Wie kann ihr geholfen sein, wenn sie die Leiche meines Mannes beherbergt?
»Guck nicht so, als würde ich Schwachsinn reden!« Tomke interpretiert meinen Gesichtsausdruck richtig.
»Ich weiß, wovon ich rede. Du hast keine Ahnung, wie schwer es ist, eine Leiche verschwinden zu lassen. Es passiert nicht jede Nacht, dass Straßenarbeiter dir schon eine Grube mit lockerer Erde vorbereitet haben. Und am nächsten Morgen bemerkt niemand etwas, und die Stelle wird frisch asphaltiert.«
»Dein Mann, du hast ihn verbuddelt?«, stottere ich.
Tomke nickt: »Ja, in der Nähe der Stumpenser Mühle.«
»Warum sollten wir nicht noch einmal Glück haben? Tomke, bitte! Lass es uns versuchen.«
Sie schüttelt energisch den Kopf.
»Nein, wir bleiben hier. Kopfloses Handeln bringt uns nicht weiter. Mein Glück hat nämlich einen Haken. Einen ganz entscheidenden.«
Sie gibt ihrer Stimme einen warnenden Unterton, den ich zu überhören versuche.
»Was für einen Haken? Ich
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