Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
Gummistiefel trug. Die Hecken glänzten feucht und dunkel, hier und da vom Frühfrost noch weiß umrandet. Der Atem waberte als Wolke in der Luft, und es roch nach Torf wie vor ein paar Tagen in der Blumenhandlung. Sie wünschte, der Geruch würde sie jetzt nicht an Friedhöfe denken lassen.
»Der Obduktionsbericht ist gekommen«, sagte Markby ohne Warnung und ohne sie anzusehen. »Ich möchte nicht fachsimpeln, aber ich dachte, es würde Sie interessieren.«
»Das tut es auch.« Er antwortete nicht sofort, und sie drängte ihn: »Nun?«
»Ihr Verhalten war auf eine Mischung von Alkohol und Tranquilizern zurückzuführen. Sie muß sich irgendwann an diesem Morgen einen Cocktail aus beidem einverleibt haben.«
»Was?« Meredith starrte ihn fassungslos an. »Das glaub ich nicht.«
»Warum nicht? Denken Sie, wir haben bei der Polizei keine kompetenten Ärzte?«
»Ja, ich weiß – ich meine, ich bin geschockt. Das hätte ich nicht erwartet.«
»Der Master und ihre Verwandte haben sich genauso erstaunt geäußert wie Sie, Sie stehen also nicht allein.«
»Ich bin überrascht, daß sie überhaupt solche Pillen genommen haben soll. Harriet? Sie schien mir so fröhlich, so – positiv …« Meredith ließ sich ihre letzte Unterhaltung mit Harriet durch den Kopf gehen. »Man kann nicht wissen, was in einem anderen Menschen vorgeht.« Ihr kam ein anderer Gedanke. »Wie wird Tom Fearon das wohl aufnehmen?«
»Tom?« Markby sah sie an.
»Ich – habe mit ihm gesprochen. Er behauptete hartnäckig, sie sei weder krank noch betrunken gewesen, und verteidigte nachdrücklich ihren Ruf als widerstandsfähige Whisky-Trinkerin. Meinte, sie habe einen gußeisernen Kopf gehabt.«
»Tom hat sie so gut gekannt wie die meisten, würde ich sagen«, antwortete er zweideutig.
»Wissen Sie, ob der Termin für Harriets Beerdigung schon festgesetzt wurde? Findet sie hier statt?«
»Ich weiß nicht.« Markby schlug mit einem Stöckchen nach einer herunterhängenden Ranke. »Ich würde gern mehr über diese Tranquilizer erfahren. Vielleicht hat auch sie einen Drohbrief bekommen, der sie so ängstigte, daß sie zu den Pillen gegriffen hat.«
»Ich hatte nicht den Eindruck, daß sie sich Sorgen machte.« Meredith hielt inne. »Wenn Sie feststellen könnten, wer der Mann war – der Mann, der am Abend des Weihnachtsfeiertags bei ihr war … Er könnte vielleicht ein paar Fragen beantworten.«
»Das wird schwierig sein, es sei denn, er meldet sich bei uns. Aber warum sollte er? Sie werden es im Auge behalten, Meredith, ja? Ich meine das Cottage. Ich möchte wissen, wann Miss Needham-Burrell eintrifft.«
»O ja, Cousine Fran. Ich möchte auch mit ihr reden. Sie soll mich anrufen, wenn das Begräbnis hier stattfindet. Ich wäre gern dabei.«
»Warum nennen Sie sie ›Cousine Fran‹?« fragte er neugierig.
»Was?« Meredith zuckte schuldbewußt zusammen. »Oh, Harriet hat sie erwähnt, sie hat sie Fran genannt.« Sie fühlte sich genötigt, hinzuzufügen: »Ich glaub nicht, daß sie sehr alt ist.«
»Nun, hoffen wir das Beste: Ich meine, einige dieser alten Ladys können wegen des Protokolls sehr pingelig sein. Ich würde gern in Harriets Post stöbern
– um zu sehen, ob sie Schmähbriefe bekommen hat wie Tom.« Er schenkte Meredith einen nachdenklichen Blick. »Wenn Sie Miss Needham-Burrell sehen sollten …«
»Ja?«
»Sie könnten hinübergehen und sich mit ihr bekannt machen – sie ein bißchen aufheitern und versuchen anzudeuten, daß eventuell anonyme Briefe existieren. Es wäre besser, wenn das von Ihnen käme
– nicht offiziell, verstehen Sie? Wenn Sie natürlich in das Cottage hinein könnten …«
Sie sah ihn kühl an, nicht sicher, ob sie sich auf diese Weise benutzen lassen wollte. »Ist das nicht völlig rechtswidrig?«
»Ich habe so wenig, woran ich mich halten kann.« Wieder schlug er mit seinem Stöckchen zu und traf ein Büschel vom Frost geschwärzter Nesseln. »Es ist nur deshalb, weil ich anonyme Briefe ganz besonders verabscheue. Sie sind einfach ekelhaft. Regen die Leute schrecklich auf. Viele Opfer solcher Briefe haben mir erzählt, was für ein unheimliches Gefühl sie in einem auslösen. Als lauere draußen jemand, beobachte einen und warte. Alle fühlten sich bedroht. Der, den Tom bekommen hat, war ein recht unflätiges Schriftstück. Mir gefällt der Gedanke nicht, daß mehr davon in Umlauf sind. Und es ist erstaunlich, wie sehr es den Leuten widerstrebt, zur Polizei zu gehen. Sie fühlen sich schuldig – ganz zu unrecht.
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