Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
Lunch. Wir hätten im Pub essen sollen. Meine Schuld. Ich kann Ihnen ein Sandwich machen.«
»Kommen Sie.« Er drehte sie herum und führte sie ins Wohnzimmer zurück. »Ich schlage vor, Sie trinken noch ein Glas Wein, bleiben hier sitzen, und ich sehe, was sich noch retten läßt. Wozu habe ich einen Schwager, der Koch von Beruf ist. Das Wichtigste, das er mir beigebracht hat, ist, wie man mit einer Katastrophe umgeht. Auch Profis erleben Katastrophen. Warten Sie. Nein! Keine Widerrede.«
Meredith klappte den Mund zu und nahm ein zweites Glas Wein entgegen. Sie sah ihm nach, und als er die Wohnzimmertür fest hinter sich zugemacht hatte, ließ sie sich vor dem Gasfeuer auf den Kaminteppich sinken, lehnte sich mit dem Rücken an den Lehnsessel und nippte trübsinnig an ihrem Wein.
Nach einer Weile kam er mit einem Tablett zurück, auf dem zwei Teller standen. »Das ist Ihres, das meins.« Er reichte ihr Serviette, Messer und Gabel. Dann ließ er sich ihr gegenüber ebenfalls auf dem Teppich nieder.
Mißtrauisch stocherte Meredith mit der Gabel in dem bunten Häufchen auf ihrem Teller. »Was haben Sie gemacht?«
»Ich habe die Panade aus Brotkrümeln von den Hühnerteilen abgekratzt und weggeworfen. Dann habe ich das Huhn zerkleinert und es mit dem Reisrest, den ich retten konnte, und noch ein bißchen mehr Reis, den ich im Schrank gefunden habe, in eine Bratpfanne getan und einen Brühwürfel hineingeworfen, Wasser hinzugefügt und alles miteinander verrührt.«
Er hielt inne, und sie kostete zögernd.
»Außerdem habe ich die Tomaten aus dem Salat herausgefischt und auch hineingetan.«
Sie schluckte zufrieden. »Schmeckt nicht schlecht. Anders.«
»Sehen Sie?« Er winkte ihr mit seiner Gabel. »Es war nicht alles verloren.«
»Für mich schon. In der Küche bin ich eine absolute Niete. Schon immer hoffnungslos.«
Er musterte sie nachdenklich. »Hören Sie, Sie haben einen schwierigen Job, der großes Fingerspitzengefühl verlangt. Sie verhandeln mit widerspenstigen ausländischen Behörden, verzweifelten gestrandeten Touristen, haben es mit allen Arten von Unfällen und Desastern, mit Unmengen von Papierkram, der Ausgabe von Pässen zu tun, suchen ausländische Gefängnisse auf, in denen Briten einsitzen, und das alles Tag für Tag. Warum, um Himmels willen, sollten Sie da auch noch gut kochen können?«
»Die meisten Frauen können es. Harriet konnte ausgezeichnet kochen.«
»Sie hat sonst nicht besonders viel getan, oder? Außer daß sie auf ihrem Pferd umherritt und ein paar Artikel schrieb, wenn ihr danach war. Ich denke«, fuhr er leise fort, »Sie sind ihretwegen ganz durcheinander. Sie hatten sie gern, nicht wahr? Sind gut mit ihr ausgekommen? Sie auf diese tragische Weise sterben zu sehen, hat Sie sehr erschüttert.«
»Ich hatte sie gern. Wir hatten keine Zeit, einander gut kennenzulernen, aber wir sind gut miteinander ausgekommen, ja. Ich denke, wir wären Freunde geworden. Komisch …« Meredith unterbrach sich; dann: »Sie hat eine Menge Leute gekannt, hatte wahrscheinlich ziemlich viele Liebhaber, aber ich glaube, an echten Freunden hat es ihr gemangelt. Leute, bei denen man sich entspannen, über alles oder nichts reden und sogar streiten kann, und es macht nichts aus. Freunde, wissen Sie?« Wieder machte sie eine Pause. »Wie Sie und ich.«
»O ja«, sagte er mit dumpfer Stimme und widmete sich dem bunten Allerlei auf seinem Teller, »wie Sie und ich. Wie Sie sagen, Freunde.«
KAPITEL 6
Meredith erwachte von den Klängen eines Oldies aus dem Radiowecker, der ihr melodisch und sich ständig wiederholend sagte, daß es Montag war. Sie setzte sich auf. Ein paar Minuten vor halb acht. Kurz vor den Nachrichten. Dann wollte sie aufstehen, nicht, weil sie mußte, sondern weil es ihr immer unrecht schien, im Bett liegenzubleiben, nachdem sie aufgewacht war, und sie dabei fast ein schlechtes Gewissen bekam. Bestimmt hatte sie einen Grund, aus dem Bett zu springen und umherzuflitzen, um sich fertigzumachen? Und wenn sie keinen Grund hatte, warum nicht? Was hatte sie vergessen?
Sie konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, daß sie nicht ins Büro mußte, das war der ganze Jammer. Wenn sie am Morgen eines Wochentags einen Blick auf die Uhr warf und feststellte, daß es nach sieben war, geriet sie in Panik, weil sie glaubte, sie habe verschlafen. In gewisser Weise würde sie es nicht bedauern, wenn sie nach Neujahr in ein geregeltes Leben zurückkehren konnte, selbst wenn sie ungewöhnlich früh aufstehen
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