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Fuchserde

Fuchserde

Titel: Fuchserde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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sie an seinem Gesicht. Verstand. Das erkannte sie an seinen Augen. Und Stolz sowie Erhabenheit. Das erkannte sie an seinem Gang. Außerdem erkannte sie ihn wieder. Es war der Mann, der in ihren Träumen der ihre gewesen war, immer, immer wieder und immer schon. Diese Träume waren es auch gewesen, die sie so ruhig hatten warten lassen, und die ihr Gewissheit gegeben hatten, dass der Tag kommen würde.
    Zum ersten Mal sah sie ihn beim Greißler. Als sie das Geschäft betrat, kam er geradewegs auf sie zu. Kurz gaben ihre Beine nach und sie fürchtete, sich am Verkaufstisch anhalten zu müssen. Ihr war ruckartig so schwummerig, als hätte sie am Vortag zu viel Gebrannten getrunken, was hin und wieder schon vorkam. Um ihren Zukünftigen nicht noch länger wie irrsinnig anzugaffen, drehte sie sich unverrichteter Dinge um, schmiss die Glastür hinter sich zu, sodass die alte Scheibe im locker gewordenen Holzrahmen nur so schepperte, und rannte davon. Die alte Verkäuferin und Lois sahen ihr wortlos nach. Als sie aus ihrem Blickwinkel verloren gegangen war, wandte sich Lois an die Verkäuferin und fragte: »Wer war denn das?«
    Nachdem sich Frida von ihrem Schrecken erfangen hatte, machte sie sich sofort daran, Lois für sich zu gewinnen. Schließlich hatte sie lange genug auf ihn gewartet. Nun, da er endlich aufgetaucht war, wollte sie keine Zeit verlieren. So seelenruhig und geduldig sie jahrelang auf ihn gewartet hatte, so eilig hatte sie es jetzt.
    Allerdings war Frida nicht die Einzige, die es auf ihn abgesehen hatte, was sie rasch herausfinden musste. Lois war erst ein paar Tage im Nachbarort, in Langegg, bei seinen Verwandten untergekommen, und schon umschwirrten ihn die Mädchen wie Bienen den Bienenstock. Nicht wenige von ihnen hätten Fridas Töchter sein können. Es waren blutjunge Mädchen mit samtig weicher Haut, prallen Brüsten, sinnlich schwingenden Hüften. Und das Gefährlichste: Sie waren zu allem bereit. Doch Frida war die Königin unter ihnen, die Einzige unverwechselbare. Und das würde er doch hoffentlich erkennen, machte sie sich Mut. Um kein Risiko einzugehen, sicher ist sicher, beschloss Frida, all ihr Wissen, all ihre Erfahrung und, ja, auch all ihre Magie einzusetzen.
     
    Am nächsten Abend tat Frida etwas, was alle Jäger in der Dämmerung tun: Sie legte sich in den Büschen auf die Pirsch. Vor Lois’ Haus. Als die Beute den Bau verließ, folgte sie in sicherem Abstand und musste so schließlich feststellen, dass ihr eines der jungen Dinger zuvorgekommen war: Sie sah ihren Zukünftigen und das Mädchen Arm in Arm das Dorfwirtshaus betreten. Frida dachte nicht eine Sekunde daran, zu resignieren. Sie machte sich auch keine unnützen Gedanken, dass es peinlich sein könnte, den beiden zu folgen. Kurz nach ihnen betrat sie mit der Zurückhaltung eines Orkans die Wirtshausstube, ließ mit einer schnellen Hüftbewegung ihren bunten, knöchellangen Rock kreisen, schmiss ihr offenes, langes Haar zurück und bestellte – und da war sie mit Sicherheit die erste Frau im Ort – an der Schank einen Schnaps. Der Wirt zögerte kurz, bis ihn Fridas scharfer Blick wortlos nicken ließ – und zügig einschenken. Auch die umstehenden Männer riskierten keinen Kommentar. Nur vom entfernteren Ecktisch war leises Raunen zu hören, das allerdings abrupt verstummte, als Frida ihren Blick dorthin warf. Als es mucksmäuschenstill in der Stube war, kippte Frida den Obstler in einem Zug hinunter, knallte mit der flachen Hand zwei Münzen auf die Schank, drehte sich um, und dann warf sie Lois einen Blick zu, der vor Sinnlichkeit triefte, der ebenso verführerisch war wie souverän, der alles sagte und doch nichts preisgab, der Lois’ Begleiterin blass werden ließ und der den anderen Männern peinlich war, weil sie noch niemals so ein Geschenk bekommen hatten.
    Frida war zufrieden mit ihrem Auftritt. Das ließ sie lächeln, entspannte ihr Gesicht und machte es – für alle erkennbar – um luftig-sonnige Wolkenberge hübscher als jenes von Lois’ versteinerter Begleiterin. Im Vorbeigehen schmiss Frida dann noch unbemerkt eine kleine Hand voll Stechapfelsamen unter den Tisch, an dem Lois und das Mädchen saßen. Sanft schloss sie die Tür hinter sich.
    Durchs Fenster beobachtete Frida, was sie angerichtet hatte: An allen Tischen wurde heftig gestikuliert, wurden die Köpfe zusammengesteckt, zerrissen sich die Männer ihre Mäuler. An einem Tisch aber wurde gestritten: Ein blutjunges Mädchen, tränenüberströmt,

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