Fuchserde
Band eingenähte Karengrowurzel auch sicher ihre Wirkung tun.
Ich schlug nicht den Weg zum Festplatz ein, sondern ging einen Umweg durch den Wald. Ich hoffte, damit meine Nervosität vertreiben zu können. Eine Bierlänge brauchte ich, um den anderen Rand des Waldstücks zu erreichen. Kurz nachdem ich die Lichtung durch die Bäume blitzen sah, bemerkte ich sie. Sie saß im Moos, mit dem Rücken an eine Fichte gelehnt, und sah nach vorn, Richtung Teich. Ich wich etwas zur Seite aus, um sie beim Näherkommen besser beobachten zu können. Sie war wunderschön. Ihr Haar hatte sie mit einem Knoten nach oben gebunden. Ihre Haut war tief gebräunt, sie schimmerte warm und einladend. Auch als ich nur noch einen Meter hinter ihr war, konnte sie mich nicht hören, wegen dem Gekreische der Kinder, der Festmusik – und weil ich mich angeschlichen hatte. Ihre Schultern bedeckte eine rabenschwarze Bluse, deren Ärmel sie aufgekrempelt hatte. Um die Hüften trug sie, knöchellang, einen Rock über den anderen gewickelt, so bunt, als wären die Farben der ganzen Welt um ihren Leib vereint. Darunter waren ihre zarten, nackten Füße zu sehen. Ich muss dir gestehen, mein kleiner Fuchs, dieser Anblick weckte den Wolf in mir. Ich beobachtete ihren nackten, schlanken Hals, sah die zarten Härchen darauf, und dann sah ich – wie sie sich plötzlich aufstellten. Frida hatte mich bemerkt, rührte sich aber nicht. In diesem Moment, mein kleiner, schlauer Fuchs, da war dein Urgroßvater mutig. Mehr als das, ich war waghalsig. Ich konnte nicht anders, obwohl ich um das Risiko wusste: Ich rückte noch näher von hinten an sie heran, mein Gesicht nur noch einen Hauch, nur noch eine Berührung von ihrem Hals entfernt, und dann roch ich an ihrem Nacken, sog mit einem langsamen, tiefen Atemzug ihre Hitze in mich ein. Ihre Brust hob und senkte sich, ich spürte ihr warmes Blut pochen, roch süßes Leben und berauschte mich daran. Und dann widerstand ich. Ich machte nicht den Fehler, sie auf den Nacken zu küssen. Ich richtete mich wieder auf. Stand nun neben ihr. Sie blickte noch immer nach vorne, hatte sich die ganze Zeit über nicht gerührt. Dicht neben ihr stehend, streifte ich meine Schuhe ab. Dann reichte ich ihr meine Hand und sagte: »Möchtest du tanzen?« Erst jetzt sah sie auf, schenkte mir ihren Blick, der mich alles sehen ließ. Sie griff nach meiner Hand und ließ sich wortlos von mir in die Höhe ziehen. Als wir zum Tanzboden gingen, spürten wir keine Fichtennadeln und keine spitzen Steine unter unseren nackten Fußsohlen. Wir spürten nur den Himmel in unserer Brust.
Sie war an diesem Abend ganz anders als die beiden Male, die ich sie zuvor erlebt hatte. Sie hatte nicht ihr Feuer verloren, aber das Packpapier, das um das Hirschlederarmband gewickelt gewesen war, und die klare Botschaft darauf, hatte sie wohl auf ihre Rolle vorbereitet: Frida ließ mich sie führen und zeigte, sobald ich an ihrer Seite war, das Reh in ihr. Wohl um mir zu zeigen, dass sie keineswegs nur wild und resolut sein konnte, sondern auch weich und zurückhaltend, hatte sie sogar Kekse für mich gebacken, die sie mir Stück für Stück zärtlich in den Mund schob. In dieser Nacht begehrte ich sie nicht nur, ich verliebte mich in sie.
Als wir vielleicht ein halbes Jahr Mann und Frau waren, wollte ich endlich Gewissheit haben, ob mich deine Urgroßmutter nur wegen meines ledernen Zauber-Armbandes liebte. Nach schlaflosen Nächten entschloss ich mich, es abzulegen. In den Wochen darauf war an ihr zwar keine Änderung zu bemerken, aber Gewissheit gab mir das dennoch nicht. Also nahm ich sie eines Abends, als wir beim Funk* hockten, ernst bei den Händen und sagte, dass ich sie etwas über ihre Liebe fragen müsse. Frida lächelte mich an, sah mir in die Augen, zog sanft ihre Hände aus den meinen, nahm meine rechte in ihre beiden Hände und küsste mich auf das Handgelenk, auf jene Stelle, an der ich bis vor kurzem mein Armband getragen hatte. Dann sah sie mir wieder tief in die Augen und sagte langsam: »Ich liebe dich. Ich ehre dich. Ich begehre dich. Nur dich und nur wegen dir.« Als mir meine Wölfin dieses Geschenk gemacht hatte, wollte ich mein Gewissen erleichtern. Ich wollte ihr alles vom Geheimnis des Bandes erzählen, das ich die ganze Zeit getragen hatte, um mir ihre Liebe zu sichern. Ich wollte es ihr sagen, nun, da sie es ohnehin ahnte. Als ich ansetzte, legte sie mir ihre Finger auf den Mund. »Du bist mein Mann und ich bin deine
Weitere Kostenlose Bücher