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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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ausgezeichnet. Er ist zäher, als Sie oder ich je sein werden.«
    Mark starrte sie verblüfft an. »Ist das wahr?«
    »Aber ja.«
    »Warum haben Sie mir das nicht schon früher gesagt?«
    »Ich dachte, Sie wüssten das alles. Sie sind schließlich sein Anwalt.«
    »Ich hatte keine Ahnung.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Tja, jetzt wissen Sie's. Ihr Mandant ist ein außergewöhnlicher Mensch. Bei seinem Regiment fast eine kleine Berühmtheit.«
    »Woher wissen Sie das alles?«
    Sie begann, das Mittagsgeschirr abzudecken. »Ich sagte Ihnen doch – ich habe nachgeschlagen. Er wird in verschiedenen Büchern erwähnt. Damals war er Major und übernahm die Führung der britischen Gruppe im Gefangenenlager, als der rangälteste Offizier starb. Er bekam drei Monate Einzelhaft, weil er sich weigerte, religiöse Zusammenkünfte zu verbieten. Seine Zelle hatte ein Wellblechdach, und als er schließlich aus diesem Backofen herauskam, war er völlig ausgemergelt und hatte eine Haut wie Leder. Wissen Sie, was er danach als Erstes getan hat? Er hielt einen Laiengottesdienst – das Thema seiner Predigt hieß›Gedankenfreiheit‹. Nach dem Gottesdienst ließ er sich ein Glas Wasser geben.«
    »Mein Gott!«
    Nancy, die Wasser ins Spülbecken laufen ließ, lachte. »Ja, mancher würde das vielleicht für übermenschlich halten. Ich persönlich würde sagen, es waren purer Schneid und bockbeinige Sturheit. Sie sollten ihn nicht unterschätzen. Er ist nicht der Typ, der auf Propaganda hereinfällt. Sonst würde er nicht Clausewitz zitieren. Clausewitz nämlich hat den Ausdruck von den ›Nebeln des Krieges‹ geprägt, als er während der Napoleonischen Kriege sah, wie die Rauchwolken aus den feindlichen Geschützen das Auge täuschten und den Eindruck hervorriefen, das feindliche Heer wäre größer, als es tatsächlich war.«
    Mark riss Schranktüren auf und warf sie wieder zu. Sie ist im Grunde ihres Herzens eine Romantikerin, dachte er, von Neid auf das Heldentum des alten Mannes geplagt. »Tja, hm, wär schön, wenn er mir gegenüber ein bisschen offener wäre. Wie soll ich ihm helfen, wenn er mir nicht sagt, was los ist? Ich hatte keine Ahnung, dass Henry getötet wurde. Mir sagte James, er wäre an Altersschwäche gestorben.«
    Sie beobachtete einen Moment seine fruchtlose Suche. »Die Teedose steht auf der Anrichte«, sagte sie und wies auf eine Blechdose mit der Aufschrift »Tee«. »Die Teekanne steht gleich daneben.«
    »Ich suche eigentlich Becher. James ist ein blendender Gastgeber. Seit meiner Ankunft durfte ich nichts tun außer heute das Mittagessen machen – und das auch nur, weil er mit Ihnen allein reden wollte.«
    Sie zeigte mit dem Finger nach oben. »Sie hängen an den Haken über dem Herd.«
    Er hob den Blick. »Ach, ja. Danke.« Er suchte nach einer Steckdose. »Sie sehen nicht zufällig auch noch den Wasserkessel?«
    Nancy unterdrückte ein Lachen. »Ich vermute mal, das ist das große runde Ding da auf dem Herd. Aber mit Strom ist da nichts zu machen. Hier muss man noch auf altmodische Art Wasser kochen. Wenn der Kessel voll ist, drehen Sie den Chromdeckel einfach nach links und bringen das Wasser wieder zum Kochen, indem Sie den Kessel auf die Herdplatte stellen.«
    Er befolgte ihre Anweisungen. »Ihre Mutter hat wohl auch noch so einen?«
    »Ja. Sie lässt immer die Hintertür offen, damit jeder sich bedienen kann.« Sie krempelte die Ärmel auf und begann abzuspülen.
    »Auch Fremde?«
    »Im Allgemeinen mein Vater und seine Leute, aber hin und wieder schaut auch schon mal ein Fremder rein, der gerade vorbeikommt. Einmal fand sie einen Landstreicher vor, der den Tee in sich hineingoss, als würde er dafür bezahlt.«
    Mark löffelte Tee in die Kanne. »Und was hat sie getan?«
    »Sie hat ihm ein Bett gerichtet und ihn zwei Wochen bleiben lassen. Als er ging, nahm er das halbe Familiensilber mit, aber für sie ist er heute noch ›dieser schrullige alte Teesüchtige‹.« Sie brach ab, als er nach dem Kessel greifen wollte. »Das würde ich lieber nicht tun. Diese Griffe werden sehr heiß. Versuchen Sie es mit den Ofenhandschuhen, die rechts von ihnen hängen.«
    Er zog sich den Handschuh über. »Ich kenne mich nur mit elektrischen Geräten aus«, sagte er. »Geben Sie mir eine Mikrowelle und ein Fertiggericht, und ich bin im siebten Himmel. Das hier ist mir alles ein bisschen umständlich.«
    Sie lachte. »Ihnen würde ein Überlebenstraining wirklich gut tun. Sie würden das Leben mit ganz anderen

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