Fuchsjagd
mir diese Bänder stundenlang angehört und bin entsetzt. Ich bin fassungslos darüber, dass jemand es fertig bringt, das Leid eines Kindes so eiskalt auszubeuten. Ich bin fassungslos darüber, dass ich mir die genauen Einzelheiten anhören musste. War das die Absicht, den Zuhörer zu erniedrigen?«
Sie leckte sich nervös die Lippen. »Ich –äh – Eleanor meinte, James soll wissen, dass wir Bescheid wissen.«
»Bescheid wissen? Worüber? Und nennen Sie Colonel Lockyer-Fox nicht noch einmal beim Vornamen, Mrs. Weldon. Wenn Sie je ein Recht zu solcher Vertraulichkeit besaßen, haben Sie es in dem Moment verwirkt, als Sie das erste Mal den Telefonhörer abhoben, um einen Ihrer scheußlichen Anrufe zu machen.«
Ihr Gesicht glühte vor Scham. Mit fahriger Hand deutete sie auf den Recorder. »Dass wir –
darüber
Bescheid wissen. Wir fanden, man dürfe nicht zulassen, dass er ungeschoren davonkommt.«
»Warum haben Sie ihn dann nicht bei der Polizei angezeigt? Bei den Gerichten liegen derzeit Fälle von Kindesmissbrauch, die dreißig Jahre zurückliegen. Der Colonel müsste mit einer langen Gefängnisstrafe rechnen, wenn diese Unterstellungen zutreffend wären. Es würde ferner Ihre Behauptung bestätigen, dass er seine Frau geschlagen hat, wenn Sie ihm regelmäßige Gewalt gegen seine Tochter nachweisen könnten.« Er hielt kurz inne. »Vielleicht bin ich schwer von Begriff, aber ich verstehe nicht, was mit diesen Anrufen bezweckt wird. Sie wurden in solcher Heimlichkeit ausgeführt – nicht einmal Ihr Ehemann wusste etwas davon… was also wollten Sie mit ihnen erreichen? Geht es um Erpressung? Wollten Sie Geld für Ihr Schweigen?«
Prue verlor die Nerven. »Ich kann doch nichts dafür«, platzte sie heraus. »Fragen Sie Eleanor. Ich hab ihr gesagt, dass es nicht stimmt – aber sie hat immer nur von einem Feldzug für die Gerechtigkeit geredet. Sie hat gesagt, alle Frauen aus dem Golfklub würden anrufen… ich dachte, es würde Dutzende Anrufe geben… sonst hätt ich's bestimmt nicht getan.«
»Warum nur Frauen?«, wollte Mark wissen. »Warum haben keine Männer mitgemacht?«
»Weil die ja – dem Colonel die Stange gehalten haben.« Sie warf einen schuldbewussten Blick auf den Colonel. »Mir wahr nie wohl bei der Sache«, beteuerte sie. »Das können Sie doch schon daran sehen, dass ich nie was draufgesprochen habe…«
James richtete sich in seinem Sessel auf. »Anfangs, bevor ich den Beantworter anschloss, erhielt ich einige Anrufe«, sagte er zu ihr, »bei denen ich – wie von Ihnen – nur angeschwiegen wurde. Aber die Nummern waren mir unbekannt. Ich nehme an, es waren Freundinnen von Ihnen, die fanden, mit
einem
Anruf wäre ihre Pflicht erfüllt. Sie hätten einmal mit ihnen sprechen sollen. Die meisten Leute tun nur, was ihnen gesagt wird, wenn es ihnen auch Spaß macht.«
Sie fühlte sich betrogen und gedemütigt. Die Anrufe waren in der Clique ein prickelndes Geheimnis gewesen, mit dem sie und Eleanor sich interessant gemacht hatten. Augenzwinkern und verständnisinniges Nicken. Geschichten von knapp vermiedenen Katastrophen, wenn Dick mitten in der Nacht aufgestanden war, weil er pinkeln musste, und sie beinahe im Dunkeln über dem Telefon sitzend erwischt hätte.
Schön dumm musste sie ausgesehen haben, wie sie da ihren Pudelgehorsam vor Eleanor vorgeführt hatte, während es den anderen im Traum nicht eingefallen war, sich die Hände schmutzig zu machen. Wozu auch? Wenn Eleanors Plan, James »auszuräuchern«, funktionierte, würde es als ihr Verdienst gelten. Wenn nicht, würden Eleanor und Prue nie erfahren, wie sie hintergangen worden waren.
Erinnerungen an das letzte Gespräch mit Jack peinigten sie. »…diesen armen alten Mann mit derartigen Anrufen zu bombardieren… peinlich… der einzige Mensch, der dir glaubt, ist diese fürchterliche Bartlett…« Sahen ihre Freundinnen es auch so? Fanden die sie auch so abstoßend und unglaubwürdig? Sie wusste natürlich die Antwort, und die letzten Reste ihrer Selbstachtung lösten sich in Tränen auf.
»Es hat mir keinen Spaß gemacht«, stieß sie hervor. »Ich wollte es in Wirklichkeit gar nicht… Ich hatte immer Angst.«
Betroffen hob James eine Hand, als wollte er ihr die Absolution erteilen, aber Mark ließ es nicht dazu kommen. »Sie haben jeden Augenblick genossen«, beschuldigte er sie scharf, »und wenn es nach mir geht, wird der Colonel Sie vor Gericht bringen – mit oder ohne Hilfe der Polizei. Sie sind eine gemeine
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