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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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allein dadurch mitschuldig, dass sie sich die immer wieder dargelegten Details der Kindesvergewaltigung anhörte; als hätte sie an ihrer Schilderung willigen Anteil. Sie sagte sich, dass die Anrufe ja nicht so en bloc eingegangen waren, dennoch war die Gesamtwirkung erschreckend. Halt, wollte sie sagen, ich habe genug gehört, aber sie wusste schon, wie die Reaktion aussehen würde. James hatte auch keine Wahl gehabt.
    Von Zeit zu Zeit traten zwischen Eleanors schrillem Gekeife und Darth Vaders mit verzerrter Stimme vorgetragenen Monologen Perioden der Stille ein, in der die verstohlenen Atemgeräusche – aus
ihrem
Mund – auf dem Band ebenso wahrnehmbar waren wie die Pausen dazwischen, wenn sie sich von der Sprechmuschel abgewendet hatte, weil sie fürchtete, Dick sei aufgewacht und nach unten gekommen, um zu sehen, was sie trieb. Und sie hörte ihre zitternde Erregung, wenn Furcht vor Entdeckung und Machtgefühl in ihrer Brust aufeinander prallten und bei jedem Atemzug scharfe Zischlaute erzeugten.
    Sie versuchte sich einzureden, dass Eleanors schneidendes Sticheln das weit Schlimmere sei, aber es gelang ihr nicht. Sprache – ganz gleich, was mit ihr ausgedrückt wurde – war wenigstens ehrlich; Atmen allein –
schweres
Atmen –, das klang obszön. Prue hätte eigentlich etwas sagen sollen. Warum hatte sie es nicht getan?
    Weil sie nicht geglaubt hatte, was Eleanor ihr erzählt hatte…
    Sie erinnerte sich an das Getuschel von Vera Dawson darüber, dass Ailsa vorzeitig aus Afrika, wo ihr Mann für zwei Jahre stationiert gewesen war, hatte zurückkehren müssen, weil Elizabeth am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt war. Natürlich hatte kein Mensch es geglaubt. Alle wussten, wie sehr die Kleine über die Stränge schlug. Und sie büxte so oft aus – besonders abends –, dass ein dicker Bauch nur von einer ungewollten Schwangerschaft kommen konnte. Es wurde geklatscht, James habe von dem Kind erst bei seiner Heimkehr nach England erfahren, mehrere Monate nachdem es zur Adoption gegeben worden war. Und er sei fuchsteufelswild gewesen.
    Eleanor sagte, das beweise gar nichts, außer dass James zur Wut fähig sei. Im Ausland stationierte Soldaten bekämen genauso Urlaub wie jeder andere Angestellte, und wenn Elizabeth sage, er sei zur Zeit der Zeugung des Kindes in England gewesen, dann reiche ihr das. Ihr sei noch nie eine Frau begegnet, die so krank gewesen sei wie Elizabeth, erklärte sie Prue energisch, und derartige Persönlichkeitsstörungen träten nicht zufällig auf. Derjenige, der die Adoption erzwungen hatte, habe ein bereits anfälliges junges Mädchen in eine Spirale der Depression hineingestoßen, und wenn daran jemand zweifle, brauche er nur mit Elizabeth zu sprechen. Wie Eleanor es getan hatte.
    Klick-klick-klick lief die furchtbare Parade telefonischer Nachrichten ab, immer eine von Prue auf zwei von Eleanor und fünf von Darth Vader, und Prue dämmerte endlich, dass sie hereingelegt worden war. Alle würden anrufen, hatte Eleanor zu ihr gesagt. Alle wären empört, dass James ungeschoren davongekommen war. Die »Mädels« machten mindestens einen Anruf pro Tag, vorzugsweise in der Nacht, um ihn zu wecken. Nur so würde Ailsa je Gerechtigkeit widerfahren.
    Prue hob den Kopf, als James das Gerät ausschaltete und es im Zimmer still wurde. Es war lange her, dass sie dem Colonel das letzte Mal ins Gesicht gesehen hatte. Schamesröte breitete sich auf ihren Zügen aus. Er war so alt geworden. Sie hatte ihn als einen aufrechten, gut aussehenden Mann mit klaren Augen in Erinnerung. Jetzt war er gebeugt und müde, und seine Kleider hingen schlaff an seinem abgemagerten Körper.
    »Nun?«, sagte Mark.
    Sie kaute auf der Unterlippe. »Das waren nur drei Personen – Eleanor, ich und der Mann. Gibt es noch andere Bänder?«
    »Mehrere.« Mit einer Kopfbewegung wies er zum offenen Aktenkoffer auf dem Boden hinunter. »Aber es sind alles nur Aufzeichnungen von Ihnen, Mrs. Bartlett und unserem Freund, der zu feige ist, mit seiner eigenen Stimme zu sprechen. Sie begannen in letzter Zeit etwas nachzulassen, aber in den ersten vier Wochen haben Sie pünktlich jede Nacht angerufen? Soll ich es Ihnen beweisen? Wählen Sie irgendein Band, ich spiele es Ihnen ab.«
    Sie schüttelte den Kopf, ohne etwas zu sagen.
    »Der Inhalt der Anschuldigungen scheint Sie ja nicht sonderlich zu interessieren«, konstatierte Mark nach einer kleinen Pause. »Können Kindesvergewaltigung und Inzest Sie nicht erschüttern? Ich habe

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