Fuchsjagd
zwei Sekunden später donnerte Dick Weldons Stimme so gewaltig durch die Leitung, dass er erst einmal den Hörer ein Stück von seinem Ohr entfernte. Dann versuchte er ein- oder zweimal, die wütende Tirade anzuhalten, aber erst als Dick die Luft ausging, gelang es ihm, ein Wort einzuwerfen.
»Danke, Mr. Weldon. Ich denke, das Wesentliche habe ich verstanden – nein, es wäre mir lieber, das würden Sie Ihrer Frau selbst sagen. Möchten Sie mit ihr sprechen? – Na gut, dann auf Wiedersehen.« Er schaltete das Handy aus und steckte es wieder ein. »Olala! Sie scheinen sich ja wirklich überall unbeliebt gemacht zu haben, Mrs. Weldon. Von dieser Seite ist, fürchte ich, keine große Unterstützung zu erwarten.«
»Das geht Sie gar nichts an.«
»Mrs. Bartletts Mann ist offenbar genauso verärgert – die beiden Männer hatten keine Ahnung, was Sie und Ihre Freundin für Sachen machten. Hätten sie davon gewusst, so hätten sie es sofort unterbunden.«
Prue sagte nichts.
»Colonel Lockyer-Fox hat sich das schon gedacht, darum hat er bisher nichts unternommen – er wollte Dick und Julian nicht in Verlegenheit bringen. Er hoffte, wenn er nicht reagierte, würden Sie das Interesse verlieren, oder Ihre Männer würden argwöhnisch werden und etwas dagegen unternehmen. Aber jetzt geht die Sache wirklich zu weit. Die Drohungen, die in diesen Anrufen ausgesprochen werden, sind zu gefährlich, man kann sie nicht länger auf sich beruhen lassen.«
»Ich habe nie Drohungen ausgesprochen«, protestierte sie. »Ich habe überhaupt nichts gesprochen. Halten Sie sich an Eleanor. Von ihr ist das Ganze ausgegangen.«
»Es war also Mrs. Bartletts Idee?«
Prue starrte zu ihren Händen hinunter. Was war sie denn der Freundin noch schuldig? Zweimal hatte sie in der letzten Stunde im Shenstead Haus angerufen, und jedes Mal hatte Julian ihr erklärt, Eleanor sei »nicht zu sprechen«. Schon der Redewendung war zu entnehmen, dass Eleanor zu Hause war, aber nicht mit ihr sprechen wollte, und Julians amüsierter Ton hatte den Verdacht bestätigt. Prue hatte sich das Verhalten ihrer Freundin damit erklärt, dass diese nicht in Julians Beisein sprechen wollte; jetzt aber argwöhnte sie, dass Ellie gerade eifrig damit beschäftigt war, über sie – Prue – herzuziehen, um vor ihrem Mann gut dazustehen.
Prues Groll auf ihre gesamte Umwelt wuchs. Sie hatte praktisch überhaupt nichts getan, und jetzt gingen alle auf sie los. »Meine Idee war es jedenfalls nicht«, sagte sie. »Es ist nicht meine Art, anonyme Anrufe zu machen und die Leute zu beschimpfen – deswegen habe ich auch nie was gesagt.«
»Warum haben Sie dann die Anrufe überhaupt gemacht?«
»Eleanor hat es natürliche Gerechtigkeit genannt.« Sie vermied es, den beiden Männern in die Augen zu sehen. »Außer uns interessierte es offenbar keinen, wie Ailsa umgekommen war.«
»Ach so«, sagte Mark sarkastisch. »Trotz polizeilicher Ermittlungen, einer Obduktion und einer gerichtlichen Untersuchung der Todesursache fanden Sie, niemand schenke dem Ganzen Beachtung. Das ist ja eine höchst seltsame Schlussfolgerung, Mrs. Weldon. Auf welchem Weg sind Sie denn dazu gekommen, wenn ich fragen darf?«
»Ich habe gehört, wie James und Ailsa miteinander gestritten haben. So was kann man nicht einfach aus dem Gedächtnis streichen.«
Mark sah sie einen Moment lang schweigend an. »Das ist alles?«, fragte er ungläubig. »Auf Grund eines einzigen Streits zwischen zwei Menschen, die Sie nicht genau hören und überhaupt nicht sehen konnten, spielen Sie sich als Richter und als Henker auf? Es gab keine anderen Hinweise?«
Sie wand sich in sichtlichem Unbehagen. Wie konnte sie vor James wiederholen, was sie von Eleanor wusste. »Ich weiß, was ich gehört habe«, sagte sie schließlich, auf das im Grund einzige Argument zurückgreifend, das sie hatte. Sture Rechthaberei.
»Das bezweifle ich sehr.« Mark stellte seinen Aktenkoffer auf seine Knie und zog den Kassettenrecorder heraus. »Ich möchte, dass Sie sich diese Aufnahmen anhören, Mrs. Weldon.« Er fand eine Steckdose neben dem Sessel, in dem James sich niedergelassen hatte, und nachdem er das Gerät angeschlossen hatte, gab er es James zur Bedienung. »Und hinterher sagen Sie mir, was Sie Ihrer Meinung nach gehört haben.«
Die Unterstellungen von Kindesmissbrauch konnten Prue nicht erschüttern – sie waren ihr vertraut –, die unaufhörliche Wiederholung der Vorwürfe jedoch erschütterte sie heftig. Sie fühlte sich
Weitere Kostenlose Bücher