Fuchsjagd
Angst. Bitte kommen Sie nicht näher.«
»Sie schlagen doch keine alte Frau. Nur Bob schlägt alte Frauen.«
»Ich brauche Sie gar nicht zu schlagen, Mrs. Dawson, ich brauche Sie nur umzustoßen. Das möchte ich zwar nicht besonders gern tun, aber ich werde es tun, wenn Sie mich dazu zwingen. Verstehen Sie, was ich sage?«
Vera hielt Abstand. »Ich bin nicht schwachsinnig«, nuschelte sie. »Ich hab meine fünf Sinne noch beisammen.«
»Es läutet«, sagte Wolfie und drückte Nancy das Handy an den Mund.
Sie hörte, wie es zur Voicemail durchschaltete. Ach, verdammt! Ging denn dieser Mensch nie an sein Telefon? Na ja…»Mark!«, sagte sie in herrischem Ton. »Los, schwingen Sie Ihren Arsch hier rauf, Kumpel. Mrs. Dawson macht Wolfie Angst, und sie hört nicht auf mich, wenn ich ihr sage, sie soll verschwinden.« Sie sah die Alte grimmig an. »Ja, mit Gewalt wenn nötig. Sie hat anscheinend völlig vergessen, dass Sie unten bei Ihnen und James sein sollte. Ich sage es ihr jetzt, ja.« Sie schaltete aus. »Colonel Lockyer-Fox möchte Sie auf der Stelle unten im Wohnzimmer sehen, Mrs. Dawson. Mr. Ankerton sagte, er ist sehr verärgert, dass Sie noch nicht da sind.«
Die Alte kicherte. »Ach, der Colonel ist doch immer verärgert… der hat so einen Jähzorn. Genau wie mein Bob. Aber keine Angst, die kriegen am Ende alle ihre wohlverdiente Strafe.« Sie trat zum Nachttisch und nahm ein Buch zur Hand, das Mark gehörte. »Mögen Sie Mr. Ankerton, Miss?«
Nancy senkte ihr Bein, antwortete aber nicht.
»Sollten Sie nicht. Er hat das Geld von Ihrer Mutter gestohlen – und das von Ihrem Onkel auch. Und alles nur, weil Ihre Großmutter ganz vernarrt in ihn war… Sie hätten sehen sollen, wie sie um ihn rumgeschwänzelt ist, jedes Mal wenn er gekommen ist… Mandragora, hat sie immer zu ihm gesagt und mit ihm geflirtet wie eine kleine dumme Gans. Sie hätte ihm alles vermacht, wenn sie nicht gestorben wäre.«
Das kam so fließend über ihre Lippen, dass Nancy sich fragte, wie es um ihren Geisteszustand wirklich bestellt war. »Das ist doch nichts als Unsinn, Mrs. Dawson. Mrs. Loycker-Fox hat ihr Testament schon Monate vor ihrem Tod geändert, und der Haupterbe war ihr Mann. Es hat alles in der Zeitung gestanden.«
Widerspruch schien die Alte durcheinander zu bringen. Einen Augenblick schien sie völlig konfus, als wäre etwas, worauf sie sich verlassen hatte, ihr entrissen worden. »Ich weiß, was ich weiß.«
»Dann wissen Sie nicht sehr viel. So, und jetzt gehen Sie bitte.«
»Sie haben mir gar nichts zu sagen. Das ist nicht Ihr Haus.« Sie warf das Buch aufs Bett. »Sie sind genau wie der Colonel und die gnädige Frau… Tun Sie dies – tun Sie das. Sie sind eine Hausangestellte, Vera, stecken Sie Ihre Nase nicht in Dinge, die Sie nichts angehen. Mein Leben lang hab ich geschuftet wie eine Sklavin –« Sie stampfte mit dem Fuß. »Aber nicht mehr lang, wenn's nach meinem Jungen geht. Nicht mehr lang. Sind Sie deshalb hergekommen? Weil Sie Ihrer Mutter und Ihrem Onkel Leo das Haus wegnehmen wollen?«
Nancy hätte gern gewusst, wer »ihr Junge« war und woher sie wusste, wer sie – Nancy – war, obwohl James sie ganz bewusst nur als eine Freundin von Mark vorgestellt hatte. »Sie verwechseln mich mit jemandem, Mrs. Dawson. Meine Mutter lebt in Herefordshire, und ich habe keinen Onkel. Ich bin lediglich als Bekannte von Mr. Ankerton hier.«
Die Alte wackelte mit gichtigem Finger. »Ich weiß genau, wer Sie sind. Ich war hier, wie Sie auf die Welt gekommen sind. Sie sind Lizzies kleiner Bankert.«
So hatte Fox sie genannt. Nancy spürte, wie sich ihr im Nacken die Haare sträubten. »Wir gehen jetzt nach unten«, sagte sie abrupt zu Wolfie. »Komm, hüpf runter und hilf mir aus dem Sessel, okay?«
Er rutschte auf ihrem Schoß nach vorn, als wollte er tun, was sie gesagt hatte, drängte sich aber sofort wieder ängstlich an sie, als Vera eilig zur Tür schlurfte und diese zuschlug. »Sie können ihn nicht mitnehmen. Er gehört Ihnen nicht«, zischte sie. »Los, seien Sie vernünftig, und geben Sie ihn seiner Oma. Sein Daddy wartet auf ihn.«
Wolfie umschlang Nancys Hals mit beiden Armen, als wollte er sie erdrosseln.
»Ist ja gut, Schatz«, sagte sie eindringlich. »Vertrau mir, Wolfie. Ich habe dir versprochen, dass ich auf dich aufpasse, und das tue ich auch – aber du musst mir ein bisschen Luft zum Atmen lassen.« Sie atmete tief durch, als er seine Umklammerung lockerte, und schwang wieder ihr Bein
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