Fuchsjagd
der ihm am meisten schadet. Sie sagte, Ailsa habe ihn beschuldigt, ihr Leben zerstört zu haben. Daraufhin habe er sie als Miststück bezeichnet und geschlagen. Und damit steht er jetzt als Schläger und Mörder da.«
»Hat diese Mrs. Weldon den Streit denn gesehen?«
»Nein, darum haben ja die Polizei und das Untersuchungsgericht ihre Aussage verworfen – aber sie beharrt steif und fest auf dem, was Sie angeblich gehört hat.«
Nancy runzelte die Stirn. »Die gute Frau schaut sich zu viele Krimis an. Man kann einen Schlag nicht am Geräusch erkennen – auf jeden Fall kann man nicht erkennen, ob er gegen einen Menschen gerichtet war. Leder auf Leder – ein In-die-Hände-Klatschen –, es kann alles gewesen sein.«
»James bestreitet, dass es überhaupt eine Auseinandersetzung gegeben hat.«
»Warum sollte Mrs. Weldon lügen?«
Mark zuckte mit den Schultern. »Ich kenne sie nicht, aber nach allem, was man hört, scheint sie zu dem Typ Mensch zu gehören, der gern eine Geschichte erfindet oder ausschmückt, um sich wichtig zu machen. James hat mir erzählt, dass ihre Klatschsucht Ailsa wahnsinnig auf die Nerven gegangen ist. Sie hat James offenbar immer wieder ermahnt, im Beisein dieser Frau vorsichtig mit seinen Äußerungen zu sein, weil die sie garantiert bei nächster Gelegenheit gegen ihn verwenden würde.« Er strich sich nachdenklich das Kinn. »Und genau das scheint sie zu tun. Je größer der zeitliche Abstand zu dem Ereignis wird, desto sicherer wird sie in ihrer Aussage darüber, wen und was sie gehört hat.«
»Was glauben
Sie
denn, was damals geschehen ist?«
Er zögerte kurz, dann präsentierte er ihr eine Antwort, die wie einstudiert klang. »James hat Arthritis. Er hatte in dieser Woche keine Nacht geschlafen. Der Arzt bestätigte, dass er sich am Tag vor Ailsas Tod ein Rezept für ein Schlafmittel abgeholt hatte. Zwei Tabletten fehlten aus dem Fläschchen. Spuren des Mittels waren noch in seinem Blut nachweisbar, als die Polizei auf sein Drängen hin einen Bluttest machte. Er wollte damit beweisen, dass er zu dem Zeitpunkt, als der Streit angeblich stattfand, im Tiefschlaf lag. Die Zweifler gaben sich damit natürlich nicht zufrieden – sie behaupten, er hätte die Tabletten erst genommen, nachdem Ailsa schon tot war. Aber der Polizei und dem Untersuchungsrichter reichte es.« Er zog sich in ein kurzes Schweigen zurück, das Nancy nicht brach.
»Es hätte nicht gereicht, wenn es Beweise für einen gewaltsamen Tod gegeben hätte, aber da es die nicht gab…« Er sprach den Satz nicht zu Ende.
»Ihre Chaostheorie scheint ganz gut zu passen«, meinte sie teilnehmend.
Er lachte bitter. »Ach, es ist ein Riesenschlamassel. Sogar die Tatsache, dass er ein Schlafmittel genommen hatte, ist diesen Leuten verdächtig. Warum gerade an diesem Tag? Warum gleich zwei Tabletten? Warum drängte er die Polizei zu einer Blutuntersuchung? Sie behaupten, er hätte ein Alibi gebraucht.«
»Sprechen Sie von den Anrufen, die Sie erwähnt haben?«
»Hm. Ich habe mir sämtliche Aufzeichnungen angehört… es wird eher schlimmer als besser. Sie haben vorhin gefragt, ob zwischen Oktober und November etwas passiert ist… die Anrufe haben um diese Zeit angefangen. Er hatte schon im Sommer hin und wieder mal einen erhalten – nichts Aggressives, meistens nur langes Schweigen. Aber im November änderte sich das drastisch. Da kamen zwei bis drei Anrufe pro Woche.« Er hielt inne, offensichtlich unschlüssig, wie viel er ihr verraten sollte.
»Es ist unerträglich«, sagte er abrupt. »Inzwischen sind es
fünf
pro Nacht! Er hat wahrscheinlich seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen. Vielleicht ist das ja der Grund, warum er nachts aufsteht und sich auf die Terrasse setzt. Ich habe ihm vorgeschlagen, seine Telefonnummer zu ändern, aber das will er nicht. Anonyme Anrufe seien eine Form von Terror, und es falle ihm nicht ein, sich davon in die Knie zwingen zu lassen.«
Nancy konnte diese Einstellung bis zu einem gewissen Grad verstehen. »Wer steckt denn dahinter?«
Wieder ein Schulterzucken. »Das wissen wir nicht. Bei den meisten Anrufen lässt sich die Nummer nicht feststellen, wahrscheinlich weil der oder die Anrufer die 141 vorwählen, um ihre Nummer zu unterdrücken. Einige Nummern konnte James über die Rückrufnummer 1417 feststellen, aber nicht viele. Er führt eine Liste, aber der Schlimmste dieser Leute – vielleicht auch die Schlimmsten – es ist schwierig zu erkennen, ob es sich immer um ein und
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