Fuchsjagd
Abwesenheiten nichts gegen die üble Nachrede tun konnten.
Eleanor war es gewesen, die ihren Mann gedrängt hatte, sich vorzeitig in den Ruhestand versetzen zu lassen, weil sie unbedingt aufs Land ziehen wollte. Julian hatte sich ihrem Wunsch widerstrebend gefügt, aber nur weil er wusste, dass seine Tage bei der Firma gezählt waren. Er hatte ernste Zweifel daran, dass es klug war, London zu verlassen. Er hatte hier alles, was er zum Leben brauchte: eine Stellung im gehobenen Management; ein ganz ordentliches Aktiendepot, das hier und da eine Kreuzfahrt hergeben würde, wenn er im Ruhestand war; gleichgesinnte Freunde, denen es Spaß machte, nach der Arbeit einen trinken zu gehen und am Wochenende eine Runde Golf zu spielen; angenehme Nachbarn; Kabelfernsehen; guten Kontakt zu seinen Kindern aus erster Ehe, die in seiner Nähe lebten.
Wie immer wurde er von einer Kombination aus Schweigen und wütenden Vorwürfen kirre gemacht. Sie hatten ihr – an Londoner Maßstäben gemessen – bescheidenes Haus am äußeren Rand von Chelsea verkauft – vier Jahre war das her – und sich dank der inflationären Preisentwicklung auf dem Londoner Immobilienmarkt mit dem Erlös zu einer eindrucksvolleren Adresse in einem Dorf in Dorset aufschwingen können. Das Shenstead House, ein schöner viktorianischer Bau, verlieh seinen Eigentümern eine Aura von Tradition und Geschichte, was man von dem Haus in der Croydon Road 12, einem Bau aus den siebziger Jahren, weiß Gott nicht behaupten konnte. Eleanor log deshalb auch immer, wenn sie davon sprach, wo sie früher gelebt hatten –»gleich um die Ecke von Margaret Thatcher«. Was für einen Posten Julian bei der Firma bekleidet hatte –»im Vorstand«. Und wie hoch sein Einkommen gewesen war –»im sechsstelligen Bereich«.
Ironischerweise erwies sich der Umzug als weit vorteilhafter für ihn als für sie. Eleanor nahm zwar in diesem abgelegenen Dorf mit seinen wenigen Einwohnern die Stellung eines Paradiesvogels unter Spatzen ein – genau wie sie sich das immer erträumt hatte –, aber genießen konnte sie diese Ausnahmestellung nicht. Ihre Bemühungen, sich bei den Lockyer-Fox' beliebt zu machen, waren erfolglos geblieben. James ging ihr aus dem Weg, Ailsa war höflich, aber distanziert. Andererseits kam es für sie nicht in Frage, sich dazu herabzulassen, die Freundschaft der Woodgates oder, noch schlimmer, des Gutsgärtners und seiner Frau zu suchen. Der Umgang mit den Vorgängern der Weldons auf der Shenstead Farm war ausgesprochen deprimierend gewesen, weil ihnen das Wasser bis zum Hals stand. Und die Wochenendler – alle wohlhabend genug, um sich ein Haus in London
und
ein Ferienhaus am Meer leisten zu können – waren von der neuen Herrin im Shenstead House so wenig beeindruckt wie die Lockyer-Fox'.
Es wäre vielleicht anders gekommen, hätte Julian ihre Ambitionen, sich einen Platz in der feinen Gesellschaft von Dorset zu erobern, geteilt oder tatkräftiger unterstützt. Doch frei von den Zwängen des Geldverdienens und genervt von Eleanors ständiger Nörgelei über seine Faulheit, suchte er sich seinen eigenen Zeitvertreib. Von Natur aus ein geselliger Mensch, steuerte er zielstrebig ein freundliches Pub in einem Nachbardorf an und ertrank sich, unbekümmert darum, ob seine Zechkumpane Großgrundbesitzer, Bauern oder Landarbeiter waren, ganz gemütlich einen Platz in der ländlichen Gemeinschaft. Er war selbst in Wiltshire auf dem Land geboren und aufgewachsen und hatte daher mehr Ahnung als seine Frau von der gemächlichen Gangart des ländlichen Lebens. Und er dachte sich, sehr zum Abscheu seiner Frau, überhaupt nichts dabei, ein Bier mit Stephen Woodgate oder Bob Dawson, dem Gärtner der Lockyer-Fox' zu trinken.
Er forderte Eleanor nicht auf, sich ihm anzuschließen. Ein paar Tage in ihrer Gesellschaft hatten im genügt, klar zu erkennen, warum er dem Ruhestand mit so viel Abneigung entgegengesehen hatte: Sie hatten einander nur deshalb zwanzig Jahre lang ertragen können, weil er den ganzen Tag außer Haus gewesen war. Er beschloss daher, an diesem Muster festzuhalten. Innerhalb einiger Monate entdeckte er seine aus Kindertagen vorhandene Leidenschaft für das Reiten wieder, nahm Stunden, ließ den Stall hinter seinem Haus herrichten, teilte eine Hälfte des Gartens als Koppel ab, kaufte ein Pferd und trat dem örtlichen Jagdverein bei. Über diese Verbindung fand er ihm angenehme Golf-und Billardpartner, Bekannte, die ihn hin und wieder zum Segeln
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