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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Leute immer gehasst.«
    »Und wie ist die Sache ausgegangen?«
    »Er bekam vier Jahre wegen sexueller Nötigung einer Minderjährigen«, sagte sie. »Er war ein ganz mieser Typ – er hat tatsächlich behauptet, ich hätte ihn angegriffen, weil er an die Scheunenwand pinkelte – aber ich hatte so laut geschrien, dass zwei andere Arbeiter angerannt kamen, die ihn mit runtergelassener Hose zusammengekrümmt auf dem Boden liegend fanden. Wenn das nicht gewesen wäre, hätte er vielleicht sogar vor Gericht gesiegt. Es stand Aussage gegen Aussage, und meine Mutter erzählte, er sei im Zeugenstand sehr überzeugend gewesen. Die Geschworenen stellten sich schließlich auf den Standpunkt, dass ein Mann seine Hose nicht bis zu den Knöcheln hinunterzulassen braucht, wenn er irgendwo an die Wand pinkeln will, und dass die Aussage auch deshalb unglaubwürdig sei, weil der Außenabort auf dem Hof nur zwanzig Meter entfernt war.«
    »Mussten Sie auch vor Gericht erscheinen?«
    »Nein. Sie sagten, ich wäre zu jung für eine gerichtliche Einvernahme. Von mir wurde nur eine schriftliche Aussage vorgelegt.«
    »Was sagte er zu seiner Verteidigung?«
    Sie warf ihm einen Blick zu. »Ich hätte ihn völlig grundlos angegriffen, und er hätte sich nicht gewehrt, weil er Angst gehabt hätte, mich zu verletzen. Sein Anwalt brachte vor, da der Angeklagte weit schwerere Verletzungen davongetragen habe als ich und eine Dreizehnjährige einem erwachsenen Mann niemals Schaden in solchem Ausmaß hätte zufügen können, wenn er es nicht zugelassen hätte, müsse eindeutig ich die Angreiferin gewesen sein. Ich habe mich wahnsinnig darüber geärgert, als ich das Verhandlungsprotokoll las. Er stellte mich als ein verwöhntes reiches Gör voller Launen dar, das sich überhaupt nichts dabei dachte, auf die armen Angestellten seiner Eltern einzudreschen. Man hat da am Ende das Gefühl, man selbst wäre die Angeklagte.«
    »Was haben Sie ihm denn angetan?«
    »Nicht genug. Er hat einen Kratzer am Hintern abbekommen, der genäht werden musste, und eine der Gabelzinken hat ihn am Auge erwischt. Danach war seine Sicht beeinträchtigt, und das war mein Glück. Weil er nicht richtig sehen konnte, hat er sich nicht gewehrt. Hätte er die Heugabel erkennen können, dann hätte er sie mir aus den Händen gerissen, und
ich
wäre im Krankenhaus gelandet.« Ihr Gesicht wurde hart. »Oder gestorben wie Ailsa.«

10
    Bella stieg die Stufen zu ihrem Bus hinauf und zog sich die Wollmütze vom Kopf, die, mit zwei Augenschlitzen versehen, das ganze Gesicht bedeckte. Ihre Kopfhaut hatte zu jucken begonnen, und sie fuhr sich mit drallen Fingern kratzend durchs stoppelige Haar. Die dicken Mäntel aus Armeebeständen, die Mützen und die Schals hatte Fox am Tag zuvor am Treffpunkt ausgegeben und sie angewiesen, die Sachen stets zu tragen, wenn sie ins Freie gingen. Es war in dem Moment nicht der Mühe wert gewesen, darüber zu diskutieren. Bei der Kälte konnte man eher dankbar sein für die dicken Klamotten. Aber jetzt hätte Bella doch gern gewusst, wozu die Maskierung notwendig war. Fox kennt sich hier zu gut aus, dachte sie.
    Ein Geräusch aus der durch einen Vorhang abgeteilten Kochnische ließ sie aufhorchen. In der Annahme, eine ihrer Töchter wäre hier, zog sie den Vorhang auf. »Was gibt's, Schatz? Ich dachte, ihr wärt mit Zadies Kindern –«
    Aber es war keine ihrer Töchter. Es war ein magerer kleiner Junge mit schulterlangen blonden Haaren, den sie sofort erkannte, eines der Kinder, die sie in Barton Edge in Fox' Bus gesehen hatte. »Was zum Teufel machst du denn hier?«, fragte sie überrascht.
    »Ich bin's nicht gewesen!« Wolfie duckte sich und wartete auf die Ohrfeige.
    Bella starrte ihn einen Moment lang an, bevor sie sich auf die Sitzbank neben dem Tisch fallen ließ und eine Dose Tabak aus ihrer Manteltasche zog. »Was bist du nicht gewesen?« Sie öffnete die Dose und entnahm ihr ein Päckchen Zigarettenpapier.
    »Ich hab nichts genommen.«
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er ein Stück Brot in seiner Faust zusammenquetschte. »Wer dann?«
    »Ich vermag das nicht zu sagen«, antwortete er, Fox' kultivierte Ausdrucksweise nachahmend, »aber ich war es nicht.«
    Sie musterte ihn neugierig und fragte sich, wo seine Mutter war und warum er nicht bei ihr war. »Also, was hast du dann hier gemacht?«
    »Nichts.«
    Bella glättete das Zigarettenpapier auf dem Tisch und zog genau in der Mitte eine dünne Tabaklinie. »Hast du Hunger?«
    »Nein.«
    »Du

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