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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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mal ein Überlebenstraining mitmachen«, sagte sie sarkastisch. »Da würden Sie bald merken, dass es wichtiger ist, sich warm zu halten, als sich darüber Sorgen zu machen, wen oder was man berührt.«
    »Wir sind hier aber nicht im Überlebenstraining, Captain«, entgegnete er ungerührt. »Wir sitzen hier direkt meinem Mandanten vor der Nase, der es überhaupt nicht witzig finden würde zu sehen, wie sein Anwalt seine Enkelin umarmt.«
    Nancy warf einen Blick zurück. »Ach, du lieber Gott, Sie haben Recht«, rief sie und sprang auf. »Da kommt er schon schnurstracks auf uns zu.«
    Mark fuhr in die Höhe und wirbelte herum. »Wo denn? Ach so – ha, ha, ha!«, sagte er sarkastisch. »Sie finden das wohl lustig?«
    »Zum Totlachen«, sagte sie und setzte sich wieder. »Waren die Familienangelegenheiten in Ordnung, als Sie sie übernahmen?«
    Mark setzte sich wieder, diesmal demonstrativ mit Abstand von ihr. »Ja, insoweit als mein Vorgänger damals James' Anweisungen folgte«, antwortete er. »Ich löste ihn ab, als James die Weisungen ändern wollte, ohne Leo davon zu unterrichten.«
    »Wie hat Leo reagiert?«
    Er blickte nachdenklich in die Ferne. »Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage.«
    Sie betrachtete ihn neugierig. »Ich meinte, wie reagierte er auf Sie?«
    »Oh – er war reizend und charmant, und als er begriff, dass ich das Vertrauen seiner Eltern nicht enttäuschen würde, rächte er sich.«
    »Wie?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nichts von Bedeutung. Eine rein persönliche Sache. Er kann sehr einnehmend sein, wenn es ihm in den Kram passt. Und die Leute fallen darauf herein.«
    Sein Ton war bitter, und Nancy vermutete, dass die »rein persönliche Sache« doch von großer Bedeutung gewesen war. Sie beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Leute« hieß im Klartext »Frauen« und »darauf« bedeutete »auf Leo«, dachte sie. Frauen fallen auf Leo herein… Eine bestimmte Frau? Eine Frau, die Mark etwas bedeutet hatte?
    »Was macht Leo eigentlich? Wo lebt er?«
    Wenn man bedachte, dass sie bis vor kurzem nichts über ihre leibliche Familie hatte wissen wollen, zeigte sie plötzlich äußerst reges Interesse an ihr. »Er ist ein Playboy und ein Spieler und lebt in einer Wohnung in Knightsbridge, die seinem Vater gehört.« Ihr Ausdruck der Missbilligung amüsierte ihn. »Genauer gesagt, er ist arbeitslos und nicht vermittelbar, weil er bei der Bank, bei der er tätig war, Gelder unterschlagen hat und dem Gefängnis nur entkommen ist, weil sein Vater für seine Schulden gerade stand. Es war im Übrigen nicht das erste Mal. Ailsa hatte ihm vorher schon zweimal aus der Patsche geholfen, weil er seine Spielleidenschaft nicht unter Kontrolle halten konnte.«
    »Mein Gott«, sagte Nancy ehrlich erschüttert. »Wie alt ist er?«
    »Achtundvierzig. Er sitzt seit Jahren jede Nacht im Kasino – das war schon so, als er noch gearbeitet hat. Er ist schlicht und einfach ein Schwindler und Hochstapler. Er legt die Leute reihenweise herein, weil er sich gut verkaufen kann. Ich weiß nicht, wie seine Situation gegenwärtig aussieht – ich habe seit Monaten keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt –, aber rosig ist sie bestimmt nicht, seit Ailsas Testament eröffnet wurde. Er hat immer seine künftige Erbschaft als Sicherheit für private Darlehen benutzt.«
    Das erklärte vieles, sagte sich Nancy. »Kein Wunder, dass seine Eltern ihre Testamente geändert haben«, sagte sie trocken. »Vermutlich würde er den Besitz hier verhökern und am Roulettetisch verspielen, wenn er ihn bekäme.«
    »Hm.«
    »So eine Niete!«, sagte sie voll abgrundtiefer Verachtung.
    »Sie würden ihn wahrscheinlich sympathisch finden, wenn Sie ihm begegneten«, warnte Mark. »Das geht jedem so.«
    »Nie im Leben«, entgegnete sie mit Entschiedenheit. »Ich habe mal so einen Mann gekannt, und mich führt keiner mehr hinters Licht. Er war Gelegenheitsarbeiter auf dem Hof. Ich war damals dreizehn. Er war so nett, dass alle ihn vergötterten – ich auch –, bis er mich eines Tages in der Scheune ins Stroh warf und versuchte, mich zu vergewaltigen. Sehr weit kam er nicht. Er glaubte vermutlich, ich könnte mich gegen ihn nicht wehren. Aber in dem Moment, als er ein bisschen locker ließ, habe ich ihn weggestoßen und bin mit einer Heugabel auf ihn losgegangen. Ich hätte wahrscheinlich lieber weglaufen sollen. Andererseits war ich so wütend über seine Falschheit, dieses scheinheilige Getue und dann diese Gemeinheit… Ich habe solche

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