Fuchsjagd
dieselbe Person handelt – ist schlau genug, darauf zu achten, dass er anonym bleibt.«
»Spricht er am Telefon? Kennen Sie seine Stimme nicht?«
»O ja, er spricht, und wie er spricht«, erwiderte Mark erbittert. »Der längste Anruf dauert eine halbe Stunde. Meiner Ansicht nach ist es immer derselbe Mann – beinahe mit Sicherheit Leo, weil er so viel von der Familie weiß. Aber er verwendet ein elektronisches Gerät, das die Stimme verzerrt. Er hört sich an wie Darth Vader.«
»So ein Gerät habe ich schon mal gesehen. Die verzerren Frauenstimmen genauso.«
»Ich weiß– das ist ja das Problem. Es wäre ziemlich einfach, wenn wir sagen könnten, dass Leo der Anrufer ist – aber es kann praktisch jeder sein.«
»Ist das nicht strafbar? Können Sie sich nicht an British Telephone wenden, damit die was dagegen unternehmen?«
»Sie können ohne polizeiliche Genehmigung gar nichts unternehmen, und James weigert sich, die Polizei hinzuzuziehen.«
»Warum?«
Mark fing wieder an, sich hingebungsvoll die Augen zu reiben, und Nancy fragte sich, was an der Frage so schwierig war. »Ich vermute, er hat Angst, es wird alles nur schlimmer machen, wenn die Polizei hört, was dieser Darth Vader erzählt«, sagte er schließlich. »Da sind Details dabei…« Eine lange Pause. »James bestreitet sie natürlich, aber wenn man sie immer wieder zu hören bekommt…« Er schwieg.
»…dann fangen sie an, überzeugend zu klingen«, schloss sie an seiner Stelle.
»Hm. Einiges entspricht zweifellos der Wahrheit. Worauf man anfängt, sich über den Rest Gedanken zu machen.«
Nancy erinnerte sich, dass der Colonel in seinem Schreiben Mark Ankerton als »rühmliche Ausnahme« unter denen bezeichnet hatte, die so schnell bereit gewesen waren, ihn zu verurteilen, und fragte sich, ob er wusste, dass sein Anwalt schwankend geworden war. »Kann ich mir die Bänder mal anhören?«, fragte sie.
Er starrte sie entsetzt an. »Ausgeschlossen. James würde toben, wenn er das wüsste. Die Dinger sind wirklich grauenvoll. Wenn ich der Empfänger wäre, hätte ich sofort meine Nummer geändert und sie nicht mehr eintragen lassen. Diese widerliche Weldon hat nicht mal den Mumm, etwas zu sprechen – sie ruft nur mitten in der Nacht an, um ihn zu wecken –, und dann keucht sie fünf Minuten lang in den Apparat.«
»Warum geht er denn hin?«
»Tut er ja gar nicht – aber das Telefon läutet trotzdem, er wacht trotzdem auf, und das Band zeichnet ihr Schweigen auf.«
»Warum zieht er nachts nicht einfach den Stöpsel raus?«
»Er sammelt Beweismaterial – ist aber nicht gewillt, es zu verwenden.«
»Wie weit ist das Haus der Weldons entfernt?«
»Einen knappen Kilometer. An der Straße nach Dorchester.«
»Warum gehen Sie dann nicht mal dort vorbei und steigen ihr gehörig aufs Dach? Sie ist doch offensichtlich feige. Wenn sie nicht einmal den Mut hat, am Telefon einen Ton zu sagen, fällt sie wahrscheinlich sofort in Ohnmacht, wenn der Rechtsanwalt vor ihrer Tür aufkreuzt.«
»So einfach ist es nicht.« Er blies sich in die Hände, um diese erneut zu wärmen. »Ich habe heute Morgen am Telefon schon mit ihrem Mann geredet und ihm mit einer Verleumdungsklage gegen seine Frau gedroht. Mitten im Gespräch kam James ins Zimmer und hat sich furchtbar darüber aufgeregt. Er will keine gerichtlichen Anordnungen – bezeichnet sie als weiße Fahnen –, findet, sie riechen nach Kapitulation. Ich verstehe seine Überlegungen, ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Er spricht die ganze Zeit in Belagerungsmetaphern, als reiche es ihm völlig, einen Zermürbungskrieg zu führen, anstatt den Krieg ins feindliche Lager zu tragen, wie er es meiner Meinung nach tun sollte. Ich weiß, dass er fürchtet, wenn er gerichtliche Schritte unternimmt, wird die ganze Geschichte in der Presse wieder aufgewärmt – und das will er auf keinen Fall. Aber ich habe den Eindruck, dass er auch das erneute Interesse der Polizei an Ailsas Tod fürchtet.«
Nancy zog ihre Mütze vom Kopf und stülpte sie ihm über die Hände. »Das macht ihn aber doch nicht schuldig«, entgegnete sie. »Ich stelle mir vor, dass es weit beängstigender ist, unschuldig verdächtigt zu werden und seine Unschuld nicht beweisen zu können, als wirklich schuldig zu sein und ständig damit beschäftigt, die Spuren zu verwischen. Im einen Fall ist man zur Passivität verurteilt, im anderen handelt man, und er ist ein Mann, der es gewöhnt ist zu handeln.«
»Aber warum hört er dann nicht auf
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