Fuchsjagd
Debatten bei uns gesorgt.«
»Und auf wessen Seite standen Sie?«, fragte sie und lachte.
»Oh, ich habe immer zu meinem Vater gehalten«, sagte James. »Er kam ohne Hilfe nicht gegen meine Mutter an. Sie war eine viel zu starke Persönlichkeit.«
»Und Ihr Bruder? Hat er zu ihr gehalten?« Sie richtete den Blick auf die Fotografie eines jungen Mannes in Uniform. »Ist
er
das? Oder sind Sie's?«
»Nein, das ist John. Er ist im Krieg gefallen, leider, sonst hätte er das Gut geerbt. Er war zwei Jahre älter als ich.« Mit leichter Hand berührte er Nancys Arm und führte sie zum Sofa. »Meine Mutter hat es sehr schwer genommen, die beiden standen einander sehr nahe, aber sie war nicht der Typ, der sich in seinem Schmerz vom Leben zurückzieht. Sie war ein starker und guter Einfluss in meinem Leben – sie hat mir gezeigt, dass eine Frau, die selbständig denkt, für jeden Mann ein Gewinn ist.«
Nancy setzte sich. Die Beine gespreizt wie ein Mann und die Ellbogen auf den Knie gestützt, neigte sie sich James' Sessel entgegen. »Haben Sie darum Ailsa geheiratet?«, fragte sie und blickte an ihm vorbei zu Mark. Verwundert bemerkte sie die Befriedigung in seinem Gesicht, beinahe wie bei einem Lehrer, der sich im Glanz seines besten Schülers sonnt. Oder galt der Beifall James? Vielleicht war es schwieriger für einen Großvater, dem Menschen ins Gesicht zu sehen, den er als Kind weggegeben hatte, als für die Enkelin, ihm eine zweite Chance zu geben.
James seinerseits neigte sich Nancy entgegen wie einer alten Freundin. In diesem beiderseitigen Entgegenkommen lag eine große Intimität, doch dessen schienen sich die beiden nicht bewusst zu sein. Mark war klar, dass Nancy von der ungeheuren Wirkung, die sie ausübte, keine Ahnung hatte. Sie wusste nicht, dass James nur höchst selten einmal lachte, dass er noch vor einer Stunde nicht fähig gewesen wäre, eine Fotografie mit ruhiger Hand zu ergreifen, dass das Feuer in den müden Augen ihr galt.
»Aber ja«, antwortete James auf Nancys Frage. »Ailsa war noch viel aufmüpfiger als meine Mutter. Als ich ihr das erste Mal begegnete, rannten sie und ihre Freundinnen herum und schwenkten Plakate, weil sie eine Jagd auf dem Besitz ihres Vaters in Schottland sabotieren wollten. Sie war gegen das Töten von Tieren zum bloßen Spaß– sie fand es grausam. Und die Mädchen hatten Erfolg. Die Jäger gaben auf, als die Vögel verscheucht waren. Allerdings«, fügte er sich erinnernd hinzu, »waren die jungen Männer vor allem davon fasziniert, wie den Mädchen die Röcke in die Höhe rutschten, wenn sie ihre Plakate über den Köpfen schwenkten. Ihre Argumente zum Tierschutz interessierten sie weniger. Die Frage war in den Fünfzigern nicht aktuell. Die Barbarei des Krieges erschien einem da viel schlimmer.« Sein Gesicht bekam plötzlich einen versonnenen Ausdruck.
Mark, der Tränen fürchtete, trat zu ihm, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Wir wär's mit einem Drink, James? Soll ich für uns was einschenken?«
Der Colonel nickte. »Ausgezeichnete Idee. Wie spät ist es eigentlich?«
»Nach eins.«
»Na, so was! Schon? Da sollten wir ans Mittagessen denken. Das arme Kind hier ist sicher schon halb verhungert.«
Nancy schüttelte sofort den Kopf. »Nein, bitte –«
»Was halten Sie von kaltem Fasan, Gänseleberpastete und Baguette?«, unterbrach Mark. »Liegt alles in der Küche parat.« Er lächelte ermunternd. »An Getränken gibt's nur, was im Keller liegt, also entweder Rot- oder Weißwein. Was ist Ihnen lieber?«
»Weiß?«, meinte sie. »Aber nicht zu viel. Ich muss noch fahren.«
»James?«
»Das Gleiche. Ganz hinten liegt noch ein recht ordentlicher Chablis. Das war Ailsas Lieblingswein. Machen Sie davon eine Flasche auf.«
»In Ordnung. Ich bringe erst den Wein, dann mach ich das Essen.« Er sah Nancy an und streckte auf Hüfthöhe, so dass James es nicht sehen konnte, einen Daumen in die Höhe, als wollte er sagen, gut gemacht. Sie zwinkerte ihm zur Antwort kurz zu, was er richtig als Dank interpretierte. Es tat ihm gut. Er brauchte das Gefühl, mehr als der unbeteiligte Beobachter zu sein.
James wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. »Er war mir eine große Stütze«, sagte er. »Ich wollte ihn nicht über Weihnachten seiner Familie entziehen, aber er ließ es sich nicht nehmen herzukommen.«
»Ist er verheiratet?«
»Nein. Ich glaube, er war einmal verlobt, aber aus irgendeinem Grund ist nichts daraus geworden. Er stammt
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