Fuchsjagd
Sie sagte sich, das hätte sie nur getan, weil James selbst beim Militär war und wusste, wie viel Macht ein Sergeant ausüben konnte.
Er sah sie einen Moment nachdenklich an. »Mit was für Mitteln arbeitet dieser Mann denn gegen Sie?«
»Mit Rufmord«, sagte sie in sachlichem Ton, der den sehr realen Problemen, die ihr das bereitete, nicht gerecht wurde. »Hinter meinem Rücken wird von Schlampen und Nutten getuschelt, und immer wenn ich irgendwo erscheine, wird gegrinst. Die eine Hälfte der Männer scheint zu glauben, ich wäre eine Lesbe, die kuriert werden muss, die anderen halten mich für die Regimentshure. Das klingt relativ harmlos, aber steter Tropfen höhlt den Stein, es fängt an zu wirken.«
»Sie fühlen sich doch sicher sehr isoliert«, meinte James und fragte sich im Stillen, wie viel Mark ihr über seine Situation berichtet hatte.
»Ja, allmählich schon.«
»Aber lässt denn die Tatsache, dass Ihre Subalternoffiziere vor ihm klein beigeben, nicht darauf schließen, dass sie auch Schwierigkeiten mit ihm haben? Haben Sie sie einmal darauf angesprochen?«
Sie nickte. »Sie bestreiten es. Sie behaupten, er verhalte sich ihnen gegenüber völlig korrekt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Dem allgemeinen Grinsen nach zu urteilen, ist ihm das Gespräch sofort zugetragen worden.«
»Wie lange geht das schon?«
»Fünf Monate. Er kam im August zu unserer Einheit, als ich Urlaub hatte. Bis dahin hatte ich nie Schwierigkeiten gehabt, und dann – wumm! – sitz ich mit Jack the Ripper da. Im Moment bin ich für einen Monat nach Bovington abgestellt, aber mir graut vor dem, was mich erwartet, wenn ich zurückkomme. Wenn mein guter Ruf bis dahin nicht total kaputtgemacht ist, wäre es ein Wunder. Leider muss man zugeben, dass er seine Arbeit sehr gut macht, er holt wirklich das Beste aus den Männern heraus.«
Sie blickten beide auf, als die Tür sich öffnete und Mark mit einem Tablett ins Zimmer trat.
»Vielleicht hat Mark einen Einfall«, meinte James. »Es gibt beim Militär immer mal so gemeine Kerle, aber ich muss gestehen, ich habe keine Ahnung, wie man mit so einer Situation am besten umgeht.«
»Worum geht's denn?«, fragte Mark, als er Nancy ein Glas reichte.
Sie war sich gar nicht sicher, dass sie ihn einweihen wollte. »Ärger in der Firma«, antwortete sie daher leichthin.
James hatte keine solchen Bedenken. »Ein Sergeant, der erst kürzlich zu Nancys Einheit versetzt wurde, versucht mit allen Mitteln, ihre Autorität zu untergraben«, erklärte er und nahm sein Glas entgegen. »Er macht sich hinter ihrem Rücken über Frauen lustig – bezeichnet sie als Schlampen oder Lesben –, vermutlich um Nancy das Leben so schwer zu machen, dass sie das Handtuch wirft. Er ist tüchtig und bei den Männern beliebt, und Nancy fürchtet, wenn sie ihn meldet, wird man ihr das als Schwäche anlasten, auch wenn sie vorher noch nie Autoritätsprobleme gehabt hatte. Was sollte sie Ihrer Meinung nach tun?«
»Ihn melden«, antwortete Mark prompt. »Verlangen Sie Auskunft über die durchschnittliche Länge seiner Dienstzeit bei den verschiedenen Einheiten, bei denen er war. Wenn er regelmäßig versetzt wird, können Sie sicher sein, dass schon früher ähnliche Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Wenn das so ist – und auch, wenn es
nicht
so ist –, bestehen Sie auf einem ordentlichen Disziplinarverfahren, und lassen Sie nicht zu, dass der Schwarze Peter einfach stillschweigend an jemand anderen weitergegeben wird. Diese Leute kommen nur deshalb immer wieder ungeschoren davon, weil ihre Vorgesetzten sie am liebsten in aller Stille woandershin versetzen, um die Zustände in der jeweiligen Kompanie zu vertuschen. Bei der Polizei ist das auch ein Riesenproblem. Ich sitze in einem Ausschuss, der dabei ist, Richtlinien für solle Fälle auszuarbeiten. Das oberste Gebot heißt: Auf keinen Fall so tun, als wäre nichts geschehen.«
James nickte. »Ich finde, das ist ein guter Rat«, sagte er freundlich überredend.
Nancy lächelte. »Sie wussten wohl, dass Mark in diesem Ausschuss sitzt?«
Er nickte.
»Und was genau soll ich melden?«, fragte sie und seufzte. »Ein guter alter Kumpel erzählt sich mit seinen Leuten Witze. Kennt ihr den von der Schlampe, die zum Militär gegangen ist, weil's da immer so schön bumst? Oder von der Lesbe, die den Finger in die Ölwanne steckt, weil sie prüfen will, ob auch alles gut geschmiert ist?«
James sah Mark hilflos an.
»Tja, das ist eine üble Zwickmühle«,
Weitere Kostenlose Bücher