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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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aus einer großen irischstämmigen Familie – sieben Töchter und ein Sohn. Weihnachten feiern sie immer alle zusammen – das ist offenbar Tradition in der Familie. Es war also umso großherziger von ihm, hierher zu kommen.« Er schwieg einen Moment. »Ich glaube, er hatte Angst, ich würde eine Dummheit machen, wenn ich allein wäre.«
    Nancy sah ihm forschend in die Augen. »War die Sorge berechtigt?«
    Diese Direktheit erinnerte ihn an Ailsa, die es immer als Zeitverschwendung betrachtet hatte, um den heißen Brei herumzureden, wie sie es zu formulieren pflegte. »Ich weiß es nicht«, sagte er aufrichtig. »Ich habe mich selbst nie als jemanden gesehen, der so leicht aufgibt, aber ich habe auch noch nie ohne Freunde an der Seite im Kampf gestanden – und man weiß erst, wenn man allein ist, wie mutig man wirklich ist!«
    »Da muss man zuerst einmal definieren, was Mut ist«, meinte sie. »Mein Sergeant würde Ihnen erklären, dass er auf einer einfachen chemischen Reaktion beruht, durch die Adrenalin ins Herz gepumpt wird, wenn die Furcht es lähmt. Der arme Soldat in seiner kopflosen Angst erlebt einen kräftigen Adrenalinstoß und verhält sich unter dem Einfluss dieser hormonalen Überdosis wie ein Automat.«
    »Sagt er das seinen Leuten?«
    Sie nickte. »Es kommt hervorragend an bei ihnen. Sie üben mit selbst herbeigeführten Adrenalinstößen, um ihre Drüsen auf Trab zu halten.«
    James machte ein skeptisches Gesicht. »Funktioniert das denn?«
    »Mehr geistig als körperlich, vermute ich«, antwortete sie mit einem Lachen, »jedenfalls wirkt es, ganz gleich, wie man dazu steht. Wenn Mut Chemie ist, dann haben wir alle Zugang dazu, und mit der Angst ist leichter fertig zu werden, wenn sie ein erkennbarer Teil des Prozesses ist. Einfach gesagt, wir müssen Angst haben, bevor wir mutig sein können, sonst würde das Adrenalin nicht fließen – und wenn wir mutig sein können, ohne vorher Angst zu haben –« sie zog amüsiert eine Augenbraue hoch –, »sind wir vom Hals aufwärts tot. Was wir uns vorstellen, ist schlimmer als das, was passiert. Mein Sergeant ist daher der Überzeugung, dass ein wehrloser Zivilist, der Tag für Tag auf Bombenangriffe wartet, mutiger ist als ein bewaffneter Soldat.«
    »Der Mann scheint ja nicht aus gewöhnlichem Holz geschnitzt zu sein.«
    »Die Leute mögen ihn«, sagte sie mit einem kühlen Unterton.
    »Aha!«
    »Genau.«
    James lachte leise. »Wie ist er wirklich?«
    Nancy schnitt eine Grimasse. »Er ist ein arroganter Macho, für den Frauen beim Militär nichts zu suchen haben, schon gar nicht bei den Royal Engineers, erst recht nicht mit Studium in Oxford und gleich dreimal nicht in der Führung.«
    »Ach, du lieber Gott!«
    Sie antwortete mit einem kleinen Schulterzucken. »Es wäre erträglich, wenn es komisch wäre – aber das ist es nicht.«
    Sie schien ihm eine so selbstbewusste junge Frau, dass er sich fragte, ob sie sich nicht einfach aus reiner Freundlichkeit als Ratsuchende zeigte, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich gleichermaßen zu öffnen.
    »Mit diesem besonderen Problem musste ich mich natürlich nie herumschlagen«, sagte er, »aber ich erinnere mich an einen besonders ekelhaften Sergeant, der jedes Mal versuchte, mich vor den Leuten lächerlich zu machen. Es war ganz subtil, eigentlich war es nur sein Ton – nichts Handfestes, was ich ihm hätte vorwerfen können, ohne dumm dazustehen. Man kann einem Mann nicht seine Streifen nehmen, nur weil er die Anweisungen, die man ihm gibt, in gönnerhaftem Ton wiederholt.«
    »Und was haben Sie getan?«
    »Meinen Stolz hinuntergeschluckt und mir Hilfe geholt. Er wurde innerhalb eines Monats versetzt. Ich war offensichtlich nicht der Einzige gewesen, der Schwierigkeiten mit ihm hatte.«
    »Tja, nur sind meine subalternen Offiziere hellauf begeistert von dem Mann. Sie lassen ihm alles durchgehen, weil er mit den Leuten umgehen kann. Ich finde, ich müsste in der Lage sein, mit ihm fertig zu werden. Dafür wurde ich schließlich ausgebildet, und ich bin überhaupt nicht sicher, ob mein Vorgesetzter für Frauen beim Militär mehr übrig hat als mein Sergeant. Wenn ich mich bei ihm beschwere, wird er mir wahrscheinlich erklären, dass beim Militär ein scharfer Wind weht und ich mich wieder in die Küche verziehen soll, wenn mir das zu viel ist.«
    James' Vermutung, dass sie dieses Thema gewählt hatte, um ihm das Gespräch zu erleichtern, war richtig. Aber sie hatte nicht beabsichtigt, so viel preiszugeben.

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