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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Situation alle Peinlichkeit zu nehmen.
    Für Mark, den Beobachter, war es ein Augenblick ängstlicher Spannung. Mit angehaltenem Atem wartete er darauf, dass die ruhige Selbstsicherheit James schlagartig verlassen würde. Was, wenn das Telefon läutete? Wenn Darth Vader zu einem Monolog über Inzest ansetzte? Ob schuldig oder nicht, der alte Mann war zu hinfällig und erschöpft, um lange unberührt zu bleiben. Mark bezweifelte, dass es überhaupt einen richtigen Moment oder Weg gab, um über eine DNA-Analyse zu sprechen, aber ihm wurde heiß und kalt bei der Vorstellung, in Nancys Beisein darüber zu diskutieren.
    »Woher wussten Sie, dass ich es bin?«, fragte Nancy James mit einem Lächeln.
    Er ging einen Schritt zur Seite, um ihr den Vortritt ins Wohnzimmer zu lassen. »Weil Sie meiner Mutter so ähnlich sehen«, sagte er und führte sie zu einem Sekretär in der Ecke, auf dem ein Hochzeitsfoto in silbernem Rahmen stand. Der Mann war in Uniform, die Frau trug ein schlichtes Kleid im Stil der Zwanzigerjahre, mit tief gesetzter Taille und einer Spitzenschleppe, die um ihre Füße drapiert war. James nahm das Bild zur Hand und betrachtete es einen Moment, bevor er es Nancy reichte. »Sehen Sie da eine Ähnlichkeit?«
    Es überraschte sie, tatsächlich eine zu erkennen, aber sie hatte ja auch nie jemanden gekannt, mit dem sie sich hätte vergleichen können. Sie hatte die gleiche Nase und die gleiche Kinnpartie wie diese Frau – beides für Nancys Gefühl nichts, worauf man stolz sein konnte –, und sie war vom gleichen dunklen Typ. Sie suchte nach Schönheit in dem papierenen Gesicht, aber sie fand sie dort so wenig wie in ihren eigenen Zügen. Eine kleine Falte stand auf der Stirn der Frau, als fragte sie sich, ob es der Mühe wert war, diesen Moment ihres Lebens im Bild festzuhalten.
    Eine ähnliche Falte bildete sich auf Nancys Stirn, als sie die Fotografie betrachtete. »Sie sieht unschlüssig aus«, bemerkte sie. »War sie glücklich in ihrer Ehe?«
    »Nein.« James lächelte über ihren scharfen Blick. »Sie war viel intelligenter als mein Vater. Ich glaube, sie hielt es nicht aus, in eine untergeordnete Rolle gezwungen zu werden. Sie war immer von Unrast getrieben, weil sie etwas aus ihrem Leben machen wollte.«
    »Und hat sie das geschafft?«
    »Nach heutigen Maßstäben vielleicht nicht – aber nach denen, die in den Dreißigern und Vierzigern in Dorset galten, ganz sicher. Sie zog hier ein Gestüt auf – züchtete Rennpferde, in erster Linie Springpferde – ein paar sehr gute sogar – eines kam im Grand National auf den zweiten Platz.«
    Er bemerkte Nancys beifälligen Blick und lachte froh. »Ja, das war ein toller Tag. Nachdem sie von der Schule die Erlaubnis erwirkt hatte, nahmen mein Bruder und ich den Zug nach Aintree und gewannen mit einer Zweierwette eine Menge Geld. Die Lorbeeren hat natürlich mein Vater eingeheimst. Frauen durften damals nicht als Trainer tätig sein, deshalb lief alles unter seinem Namen. Sonst hätte sie kein Geld verlangen dürfen, und dann hätte sich das Unternehmen nicht selbst tragen können.«
    »War ihr das nicht zuwider?«
    »Dass er die Lorbeeren einheimste? Nein. Alle Welt wusste, dass sie die Trainerin war. Das war nur ein bisschen Augenwischerei, um den Jockey-Club zufrieden zu stellen.«
    »Was ist aus dem Gestüt geworden?«
    »Das ist dem Krieg zum Opfer gefallen«, antwortete er wehmütig. »Sie konnte nicht als Trainerin arbeiten, solange mein Vater an der Front war… und als er heimkam, funktionierte er den Pferdestall in Garagen um.«
    Nancy stellte die Fotografie wieder auf den Sekretär. »Das hat sie doch sicher geärgert«, sagte sie mit einem Blitzen in den Augen. »Wie hat sie sich gerächt?«
    James lachte wieder. »Sie ist in die Labour-Partei eingetreten.«
    »Na, das ist ja allerhand!« Nancy war ehrlich beeindruckt. »Da war sie wohl das einzige Mitglied in ganz Dorset?«
    »Auf jeden Fall in den Kreisen, in denen meine Eltern verkehrten. Sie trat nach der Wahl 1945 ein, als die Partei ihre Pläne für ein allgemeines Gesundheitssystem publik machte. Sie hatte während des Krieges als Krankenschwester gearbeitet und war damals empört über die schlechte medizinische Versorgung der Armen. Mein Vater, der sein Leben lang ein Konservativer war, war natürlich entsetzt. Er konnte es nicht fassen, dass
seine
Frau Churchill abwählen und gegen Clement Attlee eintauschen wollte. Er sagte, sie wäre undankbar. Aber es hat natürlich für lebhafte

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