Fuchsjagd
Rasiermesser in seiner Tasche greifen sah.
»Was zum Teufel soll das werden?« Empört stieß Bella Fox weg und kniete neben dem verängstigten kleinen Jungen nieder. »Er ist ein Kind, verdammt noch mal. Schau ihn dir an, er stirbt ja vor Angst.«
»Ich hab ihn erwischt, wie er sich zum Haus schleichen wollte.«
»Na und?«
»Ja, soll er uns vielleicht alles vermasseln?«
»Und deswegen musst du ihn zu Tode ängstigen?«, fauchte sie ihn an. »Komm her, Schatz«, sagte sie zu Wolfie, nahm ihn auf den Arm und stand mit ihm auf. »Er ist nur Haut und Knochen«, schimpfte sie. »Du gibst ihm nicht genug zu essen.«
»Sag das seiner Mutter, die hat ihn schließlich sitzen lassen«, entgegnete Fox gleichgültig. Er zog einen Zwanzig-Pfund-Schein aus seiner Tasche. »Da, gib du ihm zu essen. Ich hab dafür keine Zeit. Das sollte eine Weile reichen.« Er stopfte den Schein zwischen ihren Arm und Wolfies Körper.
Bella sah ihn argwöhnisch an. »Wo hast du plötzlich Geld her?«
»Geht dich einen Dreck an. Und du –« er stach mit drohendem Finger nach Wolfie –»kannst was erleben, wenn ich dich noch mal da drüben beim Haus erwische, das sag ich dir.«
»Ich hab doch gar nichts getan«, jammerte der kleine Junge. »Ich hab nur Mam und Welpie gesucht. Die müssen doch irgendwo sein, Fox. Die
müssen
irgendwo sein…«
Bella stellte ihren drei Töchtern ihre Spaghetti Bolognese hin und ermahnte sie, still zu sein. »Ich möchte mit Wolfie reden«, erklärte sie. Sie setzte sich neben ihn und ermunterte ihn zu essen. Die drei Mädchen betrachteten andächtig den fremden Jungen, ehe sie sich gehorsam über ihre Teller beugten. Die eine sah älter aus als Wolfie, die anderen beiden waren ungefähr in seinem Alter. Er fühlte sich unbehaglich neben ihnen, weil er sich schämte, dass er so verdreckt war.
»Was ist denn mit deiner Mam?«, fragte Bella.
»Weiß nich«, murmelte er und starrte auf seinen Teller.
Sie nahm Löffel und Gabel und drückte sie ihm in die Hände. »Komm, iss. Du brauchst dich nicht zu genieren, Wolfie, Fox hat bezahlt, das weißt du doch, und er wird bestimmt stinksauer, wenn er nichts für sein Geld kriegt. So ist es brav«, lobte sie. »Du willst doch groß und stark werden, hm? Wie alt bist du denn?«
»Zehn.«
Bella war entsetzt. Der Junge war kleiner und schmächtiger als ihre Älteste, die gerade neun geworden war. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, im Sommer in Barton Edge, hatten er und sein kleiner Bruder sich kaum je hinter ihrer Mutter hervorgewagt. Bella, die Wolfie auf sechs oder sieben und seinen Bruder auf drei geschätzt hatte, hatte diese Schüchternheit ihrem Alter zugeschrieben. Und die Mutter war ja auch so schüchtern gewesen, an ihren Namen konnte sich Bella allerdings im Moment nicht erinnern.
Sie sah zu, wie der Junge schlang, als hätte er seit Wochen nichts mehr gegessen. »Ist Welpie dein Bruder?«
»Ja.«
»Und wie alt ist er?«
»Sechs.«
Mein Gott! Sie hätte ihn gern gefragt, ob er jemals gewogen worden war, aber sie wollte ihn nicht verschrecken. »Seid ihr mal zur Schule gegangen, Wolfie? Oder von den Wanderlehrern unterrichtet worden?«
Wolfie senkte mit einem Kopfschütteln Löffel und Gabel. »Fox hat gesagt, das wär Quatsch. Meine Mam hat mich und meinen kleinen Bruder schreiben und lesen gelernt. Manchmal sind wir in die Bippletek gegangen«, erzählte er. »Am liebsten mag ich Computers. Mam hat mir gezeigt, wie das mit dem Internet geht. Da hab ich einen Haufen gelernt.«
»Und warst du mal bei einem Arzt?«
»Nein«, antwortete er. »Ich bin nie nich krank gewesen.« Er hielt inne. »Ich bin nie krank gewesen«, verbesserte er sich.
Bella hätte gern gewusst, ob es für ihn eine Geburtsurkunde gab, ob die Behörden überhaupt von seiner Existenz wussten. »Wie heißt deine Mam?«
»Fähe.«
»Hat sie noch einen anderen Namen?«
Er antwortete mit vollem Mund. »Weiß nich.«
»Einen Familiennamen, meine ich. Mein Familienname ist Preston, also heiße ich richtig Bella Preston. Meine Kinder heißen Tanny, Gabby und Molly Preston. Hatte deine Mutter keinen Familiennamen?«
Wolfie schüttelte den Kopf.
»Hat Fox sie auch mal anders als Fähe genannt?«
Wolfie warf einen Blick auf die Mädchen. »Nur Schlampe«, sagte er, bevor er den nächsten Löffel voll Spaghetti einfuhr.
Bella lächelte, weil sie die Kinder nicht merken lassen wollte, wie beunruhigt sie war. Fox entpuppte sich ganz anders, als sie ihn in Barton Edge
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