Fuchsteufelswild
Gesichtsmuskel regt sich. Zu viele amerikanische Filme geglotzt oder eine örtliche Botox-Party goutiert.
»Ja da schau her, der Münchner Kriminaler. Was ist, hams ein Malheur?«
»Irgendein Grattler hat mir die Reifen plattgemacht.«
»Irgendjemand? Des wär scho arg seltsam. Vielleicht sands wo drübergefahren? Passiert, so was. Hier werden die StraÃen halt ned shampooniert, saubergleckt und oaschpoliert wie in der GroÃstadt. Gesehen ham wir jedenfalls niemanden.«
»Niemanden«, kommt die Bestätigung vom Kollegen.
»Wurscht.« Sandners Ãrger ist so präsent, dass der dem Murnauer Polizisten Handschellen anlegen könnte.
»Lassens den Wagen stehen, wir fahren Sie natürlich. Ich kenn jemanden, der macht des Ihnen im Handumdrehen. Kein Problem und ned teuer. Sie ham ja gwies Selbstbeteiligung.«
Der Sandner nickt. »Dankschön.«
»Da um die Ecke wohnt ja der Hambacher, wolltens zu dem?«
Ein zweites Mal nickt der Sandner â widerwillig, aber schicksalsergeben.
»Was hams von dem gewollt?«
»Er war nicht zu Hause.«
»Wissens, wenn Sie mit uns reden täten, wär vielleicht vieles einfacher.«
»Fahr ma?«
»Wohin?«
»Zum Grainer. Wir fragen ihn nach einer DNA-Probe â freiwillig.«
»Freiwillig macht der des bestimmt nicht, da kennen Sie ihn schlecht. Wir ham scho seine Bekanntschaft machen dürfen. Schwarzangeln, Wilderei, Beamtenbeleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte â das ganze Programm. Sie stellen sich das so einfach vor. Das bräuchten wir schon offiziell, einen richterlichen Beschluss. Das muss man vorbereiten.«
»Sehns, jetzt hab ich mit Ihnen geredet. Was ist jetzt einfacher?«
Letzten Endes haben sie den Sandner in seinem Feriendomizil abgesetzt. Seine Karosse würde er bald zurückbekommen. Er hat keine Lust, erneut mit dem Leihwagentandler zu diskutieren. Es war schon mühsam genug, ihm zu erklären, dass er vorhat, den Wagen bis Montag zu behalten. Jetzt auch noch die Reifen. Ein Sack voller Probleme â der klassische Querulant. Da musste er einfach auf die Lösung der Murnauer Kollegen vertrauen. Im Moment war er dazu verdammt, alles fuÃläufig zu erledigen. Kurz kommt ihm der Verdacht, dass den beiden Polizisten seine fehlende Mobilität ganz gut reinlaufen würde. Strafe für die Geheimniskrämerei. So weit, seine Reifen aufzuschlitzen, würden die hoffentlich nicht gehen. Der Rausgefutterte könnte sich gar nicht so tief buckeln. Immerhin â die DNA-Probe vom Grainer würden sie anleiern.
Zur Sicherheit hat der Sandner noch den Polizeirat angerufen, damit er die Verbindung zwischen Murnau und München amtlich bekräftigen könnte. Auf gute Zusammenarbeit, Burschen.
D ie Wiesner sitzt in einem Café in der Schwanthalerhöhe. Nicht weit weg von der HansastraÃe, aber weit genug weg. Sie hat einen Namen. Der Sandner trumpft dafür gleich mit zwei Namen auf. Tolles Spiel. Nix passt zusammen. Inzwischen kommt ihr die Sache mit Tonis »Sonderkursen« gar nicht mehr so absurd vor. Sie sieht in den Frauen keine frustrierten, komplexbeladenen MittdreiÃigerinnen mehr, die sich der aufkeimenden Frigidität mit ausgefallenem Entertainment erwehren wollen. Zwei Minuten Fahrradfahren und Durchpusten, schon ist sie »open minded«. Selbstbewusst ist es, mutig und selbstbestimmt, nicht verkümmern zu wollen mit Haus und Herd und Zimmerlinde. Wenn den Mannsbildern die Phantasie vor der Glotze einnickt und Eiszapfen am geschrumpelten Sackerl hängen, wegen der Paranoia im Büro und morscher Karrieresprossen, die schon knacken â wenn all die Wolkenschlösser zerrupft sind vom rauen Wind, der nun mal wehen muss, jawohl â was machst du dann? Da fragt keiner. Damit kannst du dich arrangieren, nur nicht drüber nachdenken. Aber dann tut sich plötzlich eine Chance auf, ein kleines Fensterl. Du kannst ein bisserl blauen Himmel sehen, wenn du dich zum Rausschauen traust. Auch die Realität muss einmal das Auge zumachen.
Die Wiesner seufzt. Da hast du es als Single einfacher â oder redest es dir ein. Bei so einer Gschicht merkst du, dass deine Ansprüche gar nicht zu hoch sind, vielleicht ein bisserl schräg. Sexgott hat sie keinen vorausgesetzt, wobei das programmatisch bestimmt nicht zu verachten wär.
Den Namen, den sie von der Leistner bekommen
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