Fuchsteufelswild
seines Zeichens Yogainstruktor und Teilhaber vom Brandl. Die Wohnung ist spartanisch eingerichtet und eng. Vom Flur geht eine Tür ins Bad, die andere in ein Zimmer, an das sich eine kleine Küche drängt. Im Vergleich zu Brandls Domizil ist das ein Wohnklo. Ein kleines Opiumtischchen steht zwischen ihnen. Einen Tee hat er ihr angeboten, mit exotischem Namen, und sich über ihren Gesundheitszustand erkundigt. Ist nahegelegen. Die Zeichen sind nicht zu übersehen. Zeit, das Geplänkel zu verräumen.
»Herr Stangassinger, Sie können mir doch ned erzählen, Sie haben sich nix dabei gedacht, wie Ihr Spezl gelebt hat und woher das Zusatzeinkommen geflossen ist.«
Der Stangassinger schlägt die Beine übereinander und nippt vom Tee.
»Nein, kann ich natürlich nicht.« Er lächelt.
»Ist das alles?«
Darauf bekommt sie ein Nicken zur Antwort. Hüte dich vor den Schweigsamen, sagt man in Japan.
»Kein bisschen Neid? Kein bisserl Ãrger? Und dass er sich nach Spanien verziehen wollte, haben Sie gewusst?«
»Dann wär ich stinksauer gewesen â wenn ich das gewusst hätte. Nicht weil er dorthin wollte, sondern weil er nichts gesagt hat. Aber man bringt niemanden um, weil er nach Spanien will. Zumindest â ich nicht. Sie?«
»Nein â aber wenn man in Rage ist, weil die Existenz auf dem Spiel steht, könntâs passieren.«
Der Mann seufzt.
»Der Toni war kein Ãbermensch. Aber er war für die Menschen da, hat ihnen etwas gegeben, und er hat etwas von sich gegeben, ausgebreitet, das wertvoll war. So schwer und so einfach. Und ich bin auch kein Ãbermensch, ganz bestimmt nicht, aber ich glaube, so wie ich leb, kommt was Positives raus. Banal gesagt, die Umstände kann ich nicht beeinflussen, aber mich. Da gibtâs Arbeit genug.«
»Des is mir jetzt einen Tick zu altruistisch â die Aussicht auf eine Pleite ist für die wenigsten positiv.«
Der Mann zuckt mit den Schultern.
»Yoga kann ein lukratives Geschäft sein, glaubens mir. Ãber Pleite brauchen wir uns nicht unterhalten. Pure Zeitverschwendung. Was wollens gern hören? Möchtens ein philosophisches Gespräch?«
»Der Brandl ist real gestorben, ned nur vom körperlichen Ballast befreit worden. Zumindest gehen wir Normalsterblichen von dieser Theorie aus. Wie immer das danach für ihn ausschauen mag â das ist nicht unsere Baustelle.«
»Ãber den Begriff des körperlichen Todes könnten wir uns auch unterhalten.«
Er scheint sich zu amüsieren. Ãber sie oder das Gespräch?
»Sie haben kein gescheites Alibi.«
»Nein, hab ich wohl nicht.«
Er lehnt sich zurück und lächelt unverschämt. Das heiÃt, er schaut unverschämt gut aus dabei.
Der Wiesner verschmeiÃt es kurz die Konzentration. Was will sie noch? Dass er bekennt: Ja, ich war sauer und hab ihn umgebracht? Trink deinen Tee aus und scher dich von dannen. Der Mann ist jetzt und hier nicht zu durchschauen. Kein Nachbar hat ihn am Tattag gesehen. Kein Beweis, keine Spur.
Sie platziert die Tasse auf dem Tischlein und steht auf.
»Warâs das schon? â Schade«, sagt er.
»Ja, dankschön für den Tee. Was ist schade?«
»Der Grund, der Sie zu mir geführt hat.«
»Ohne diesen Grund wär ich nicht da.« Rational betrachtet.
»Das ist auch schade.« Bekümmert schaut er drein.
Jetzt ist es genug. Hektisch stolpert sie in den Flur und reiÃt ihre Jacke vom Haken.
»Wiederschaun Herr Stangassinger â wenn Ihnen noch was einfällt, rufens mich an.«
»Das werd ich bestimmt.«
DrauÃen ist sie. Jetzt bräuchte sie verdammt noch mal eine Zigarette. Nur eine. Oder nur einen tiefen Zug. Nein, diesmal nicht. Never. Diesmal ist die damische Qualmerei für immer vorbei. Sie wird in keine Falle tappen. Wie ein kleines, stotterndes Trutscherl hatte sie sich gerade benommen. Unfassbar! Ein paar tiefe meerblaue Augen und zartgliedrige Hände, und schon wird sie zur wachsweichen Trulla. Und es ist natürlich schade. Ja, und deswegen bist du zu ihm hingefahren und hast eben nicht den Jonny geschickt, Sandra, red dir nix ein. Der pure Masochismus. Und wenn er der Mörder wär? Bei der Anzahl der Verdächtigen müsste er sich eine Nummer ziehen und im Wartebereich Platz nehmen. Aber ein Mordverdächtiger bleibt er â irgendwie. Vielleicht. Blauäugig
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