Fuck Buddies - Unterwegs mit den Jungs
Moment kommen müsste. Dann schlängelte er sich durch die pulsierende Masse davon.
Es war inzwischen brechend voll. Auf den Tischen flackerten Windlichter. Musik brandete aus dem Inneren der Bar zu uns herüber. Die Luft roch nach asiatischem Essen, teurem Parfüm und einer Vorahnung von Spaß und Abenteuer. Ich atmete tief ein und dann langsam und genüsslich aus. Momente wie diese, zwischen lauter schönen, ausgelassenen Männern, die lachen, flirten, zicken, sich präsentieren und ausleben erschienen mir immer schon etwas irreal. Mehr als einmal habe ich mich gefragt – und ich frage es mich heute noch –, ob es sich dabei um einen Jahrmarkt der Eitelkeiten handelt … oder schon um das Fegefeuer.
Ich fragte Uwe, für was er es halten würde.
„Wenn ich mir die so ansehe“, fing er an und nickte zu einem Tisch hinüber, an dem einige muskelbepackte Männer in kurzen Hosen und Feinrippunterhemden saßen, deren aufgepumpte Bizeps im krassen Gegensatz zu ihren blasierten, wie gepudert wirkenden Gesichtern standen, „sind wir eindeutig auf dem Jahrmarkt. Die haben was von Wurfbuden – man möchte sie mit Bällen wegdonnern.“ Er sah sich weiter um. „Dahinten dann die Abteilung: Ich-und-meine-beste-Freundin-am-Autoscooter.“ Er deutete unauffällig zu drei Jungen, keiner älter als 18, die schrille Klamotten trugen, sich exaltiert benahmen und zwei übergewichtige, bieder wirkende Frauen mit wilden Geschichten aus ihrem Leben beglückten. „Dann haben wir die Losbuden mit dem Hauptgewinn, den man niemals bekommt.“ Ich folgte seinem Blick zu einem Tisch, an dem ein einzelner Gast saß. Er kam mir bekannt vor – richtig, dieser Tänzer, der mal als optisches Schmankerl in einer Transenshow im Vollmerhaus aufgetreten war. Der perfekte Mann. Und darum natürlich unerreichbar.
„Und schließlich“, schloss Uwe, „gibt es da noch die Typen, die so normal sind, dass es schon fast unheimlich ist, und die nur über den Jahrmarkt gehen, um möglichst viel zu sehen zu bekommen.“
Ich entdeckte einen Tisch, an dem einige sehr normal aussehende Typen mit ausgeleierten T-Shirts und ausgefransten Jeanshosen saßen. „Meinst du die da?“
„Nein. Ich dachte eher an die gutgekleideten Gaffer.“ Er grinste. „An dich und mich, um genau zu sein, und … Oh … ich nehme alles zurück. Streiche Jahrmarkt. Wir sind doch mitten im Fegefeuer!“
Bevor ich fragen konnte, wie er das meinte, bemerkte ich auch schon den Grund: Der neue Kellner war zu uns an den Tisch gekommen und stellte ein Glas vor mir ab. „Der Radler war für dich, nehme ich an. Kann ich euch sonst noch einen Wunsch erfüllen?“ Es war der Megabläser, mit dem Uwe vor einigen Stunden im Gebüsch rumgemacht hatte.
Uwe wurde kurz rot. „’ne Weißweinschorle.“
„Kommt sofort“, versprach er. Bevor er ging, grinste er Uwe breit an. „Und die wird dich hoffentlich nicht direkt wieder von den Füßen hauen.“
Wir mussten lachen. Dann lehnten Uwe und ich uns entspannt zurück und genossen den Abend, die laue Luft, die Männer. „Das Schicksal“, zitierte Uwe einen Spruch, den er einige Tage zuvor auf einer Postkarte gelesen hatte, „weiß Bescheid. Und es ist gnädig.“
Ein paar entspannte Stunden und diverse Radler später merkte ich, wie ich langsam unruhig wurde. Eine Mischung aus Ungeduld, Neugier, Erwartung und den berüchtigten „Hummeln im Hintern“. Also verabschiedete ich mich. „Mir reicht’s. Bleibst du noch?“
„Aber sicher.“ Uwe grinste. „Als du gerade auf dem Klo warst, hat mich unser Kellner gefragt, ob ich später noch mit ins New York zum Tanzen will.“
„Okay …?“
„Kai!“ Uwe schüttelte den Kopf, als habe er es mit einem begriffsstutzigen Kind zu tun. „Ich bin umgekippt, bevor ich seinem ausdrücklichen Wunsch nachkommen und ihm … wie war das noch mal … ach ja“, er grinste breit, „bevor ich ihm kräftig in die Fresse spritzen konnte . Und wer will so grausam sein, ihm dieses Vergnügen zu missgönnen?“
„Dann steck ’nen schönen Gruß mit rein“, lachte ich. „Kommst du morgen trotzdem zum Frühstück?“
„Klar. So um zwölf?“
„Wunderbar.“
Ich schwang mich auf mein Fahrrad und fuhr los. Die Luft war immer noch warm. Es ging mir gut. Sehr gut sogar. Bierselig nennt man diesen Zustand wohl. Und eins war klar: Es war trotz der vorgerückten Stunde definitiv zu früh, um nach Hause zu fahren.
Ich bog am Stachus rechts ab und fuhr durch die Fußgängerzone.
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